Freitag, 16. März 2012

Erster Tag. Nach einer Prüfung in der Humboldt-Universität am Morgen, die mich überraschender Weise ziemlich angestrengt hatte, vom Südkreuz aus mit dem Interconnex nach Leipzig.
Der Hauptbahnhof, wohl das schönste Bahnhofsgebäude der Republik, ist seit Jahren verschandelt von einer Einkaufspassage, die aus dem Kellergeschoss sich öffnend in die prächtige Vorhalle drängt. Die Bauplaner und Architekten, die das verschuldet haben, gehören ins Straflager.



Unten bei Subway steht das Proletariat um trockene Brötchen an. Eine Schlange, als hätten wir nicht 2012 sondern 1982, und als würde es dort Wrangler-Nietenhosen geben, nicht überteuerte, belegte Brote.



Am Abend die erste Lesung der Autoren des Verlagshaus J. Frank in der Galerie Artae. Kaum Publikum, außer eben den Kollegen, aber das verehelichte Inhaberpaar dieser Wohngalerie zum Ausgleich ausgesprochen charmant und gastfreundlich. In der Küche, hinter den Galerieräumen (in denen merkwürdige, leicht schrottige Trouvaillen von Thomas Kapielski gezeigt werden), in der Küche also gibt es selbstgemachte Kartoffelsuppe mit dicken Würstchenstücken die schmeckt, wie von meiner Mutter persönlich gekocht.
Dazu Weißwein und Wohnküchenseeligkeit. Das Baby Helene, Tochter der Galeristen, taxiert die Gäste. Eine Atmosphäre, wie ich sie ganz ähnlich schon einmal erlebt habe: Boheme, Prenzlauer Berg, frühe 90er (und die waren ja nur noch ein Abglanz der mythischen 80er).

Johannes Frank, Birgit Kreipe

Swantje Lichtenstein, Crauss

Crauss, Claudia Gehrke

Johannes Frank, Swantje Lichtenstein,
Alexander Graeff, Andrea Schmidt


Auf dem Klo der Galerie ein alter Spülkasten unter der Decke, mit Zugkette. So eine Wasserspülung habe ich das letzte Mal in meiner Kindheit gesehen. Es gibt vermutlich mittlerweile Kinder, vielleicht auch Jugendliche, die mit so einer Gerätschaft gar nichts mehr anzufangen wissen. So wie ihnen auch die Verbindung Cassette/Bleistift ein Rätsel bleiben wird.
Ich werde älter und fange an, Schnurren aus den Ardennen zu erzählen ("Als wir tapfer die Höhe 120 in der Leipziger Messehalle No. Fünf im Sturm nahmen, pfiffen uns die Kugeln der FAZ-Feuilletonisten um die Ohren. Aber wir haben nicht klein beigegeben. Nur immer feste druff").
Kriegsverletzungen glücklicherweise bisher keine. Davon abgesehen: ich mochte diese Spülkästen immer sehr gerne, die rauschten mit Schmackes.



Später noch eine Lesung in der temporären Lyrik-Buchhandlung. Max und ich lesen ab 23.30 Uhr, nachdem die Companeros von KOOKbooks den Laden geräumt haben. Trotzdem auch bei uns noch verblüffend viel Publikum.
Max Debutband ist großartig geworden. Verblüffemd wie man in dem Alter so gut schreiben kann, ich hab da noch größtenteils Grütze geschrieben, bestenfalls krudes Zeugs.


Am Ofen: Monika Rinck
Ganz vorne: Alexander Gumz

Dagmara Kraus

Ganz links: Norbert Lange
Am Ofen: Volker Sielaff

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2 Kommentare:

  1. Auf dem Foto »Am Ofen: Monika Rinck« sitzt vor ihr Marco Beckendorf, Verleger von HOCHROTH. Rechts am Lampenschirm, das könnte Walter Fabian Schmid sein, von Bart und Blick her.

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  2. klausef schneider19. März 2012 um 20:34

    1.) was du zum Leipziger bahnhof schreibst, kann ich gut nachvollziehen, nach fotoeinsicht: einen vom archtitekten konzipiert & gedachten raum, mit all seine funktionen & wirkungen aufzureißen, so dass der ganze "esprit" einer gängigen boutiquen unterwelt aufscheint, da mollte man schon mit größter geistig-ästhetischer barrierefreiheit argumentieren; weiß nicht was für kosten aufzüge verursacht hätten. (in Stg ist es nicht bodenlos, aber dafür die ganze fläche seitlich + in der mitte zugestellt und -gekleistert und -gekakckt mit kiosks und ständen, wie aufm jahrmarkt!) ... // 2.)weiß gar nicht, was du gegen dem herrn Kapielski seine kunstwerke hast - immer die richtige größe vorausgesetzt, könnten die in jedem modern oder contemporary art museum SHOP zu finden sein, zumindest als postkartenserie: ( wollte ihm nicht ungerecht werden und geriet auch an seine texte - kann es leider nicht euphemisieren: herrgott, jetzt läuft sein youtube salvatorkracher ... wer kult ist, muss nicht mehr gut sein, dem fliegen die lacher bei jedem wink mit dem zaunpfahl entegegen, besonders so dick unterstrichenen vorgetragen - also, so unterträglich, das hätt ich nicht erwartet, bei allem was man schon von local heroes u.a.m. gewohnt ist)

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