Mittwoch, 14. März 2012

Wie hat meine Mutter das nur geschafft? Allein mit zwei Kindern, zumindest die meiste Zeit allein, weil ihr Mann, unser Vater auf Tournee war, oder an einer weit entfernten Landesbühne. Nur alle zwei, drei Wochen kam er nach Hause, in die enge Wohnung, in der Engen Straße in Lüneburg. Ich war dann immer so aufgeregt, dass mir die Halsschlagader pochte. Ganz beunruhigt war ich von dem Pochen, so dass ich meine Mutter fragte, ob das ein böses Zeichen wäre, ein Hinweis auf eine schwere Krankheit, eine fiebergeschwängerte Influenza; und meine Mutter sagte: Nein, mein Junge, du freust dich nur, dass Papa bald da sein wird.
Also, wie hat meine Mutter das geschafft, die ganzen sechziger und siebziger Jahre hindurch, allein mit zwei Söhnen, der eine davon nicht gerade pflegeleicht?

Die anstrengenste Woche seit Jahren liegt hinter mir (deshalb ich auch nur an einem einzigen Tag dazu kam, diesen Blog weiterzuschreiben) – eine Woche allein mit meinem Sohn, sieben Tage Vater und Sohn. Ich liebe mein Kind sehr, aber jeden Tag drei Stunden LEGO und vier Stunden PLAYMOBIL spielen, Kind baden, anziehen, verköstigen (vorher Essen kochen, nachher Abwasch abwaschen), Spielplatz, Park, einkaufen gehen, vorlesen, malen, basteln.
Und damit wir uns nicht missverstehen, sonst beschäftige ich mich auch die Hälfte der Zeit mit meinem Kind, aber eben nur die Hälfte, für den Rest ist die Frau Mama zuständig (meistens etwas mehr als die Hälfte, wenn ich ehrlich bin). Die letzten Tage durfte ich nicht mal alleine auf den Balkon gehen, um eine zu rauchen, auch da wollte das Kind nicht selbsttätig spielen in seinem Zimmer, oder im Wohnzimmer, oder wo auch immer.
Ich habe schließlich alle meine guten Vorsätze sausen lassen und wollte ihn vor der Glotze parken, aber, O Schreck, wir haben ja gar keinen Fernseher. Also noch ein Buch vorlesen, und vierzehn PIXIS.

Wie hat meine Mutter das nur geschafft. Ich weiß es ja selber (selber, selber, lachen alle Kälber): FLORIAN, GEH RAUS, SPIELEN. Die Sonne scheint so schön. NEIN, FLORIAN, Mama will jetzt den STERN lesen. FLORIAN, WÜRDEST du bitte nicht hier spielen, geh doch in dein Zimmer. Ich ruf dich dann zum Essen. FLORIAN, NEIN!

Ach, herrliche Kaltschnäuzigkeit der Erziehung im Nachkriegszeitalter. Und geraucht hat meine Mutter natürlich in der Küche und im Kinderzimmer und niemals, niemals auf dem Balkon (wir hatten gar keinen).
Und wenn es zu viel wurde, hat sie geschrieen oder Depressionen bekommen. Oder noch ein halbes Päckchen ERNTE 23 im Wohnzimmer geraucht, oder mich vor der Glotze geparkt (Rappelkiste, manchmal  Das feuerrote Spielmobil - immerhin, halbwegs antiautoritäres Zeugs).

So hat meine Mutter das geschafft. Und was ist draus geworden: nichts Gutes, nichts Gutes.
Und deshalb bekomme ich am sechsten Tage lieber einen Nervenzusammenbruch und spiel danach noch eine Runde LEGO mit meinem Kinde.

Die LEGO-Dämonen wackeln schon durch meine Träume.



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