Mittwoch, 8. Juli 2015

(Pseudo)Coding Neukölln 2

Ei, was will das Gehirn denn? Ja, ei, was will das Gehirn denn Schönes? Will es Happi-Happi machen? Braves Gehirn, ei, ganz braves Gehirn. FASS!
Blutsäufer-Gehirn, oder: Der Kampf als inneres Erlebnis des Videogamers.
Trigger, focus, PASSANT. Time-delta-time. 180 frames per second. Und dann immer schön rein in den heilig-nüchternen Morgen, auf den Straßen Neuköllns, gleich bei der Aral-Tankstelle, mit dem Sturmgewehr, über uns der Sturm. Später Platzregen. Dann Sonne wie eine A-Bombe (platzt). Dieses Level leider schon zu Ende.
FASS! Wieso apportiert das Gehirn so gerne Leichenteile, Totentorten, Menschenhack?
Solln doch froh sein, dass kein Krieg mehr is. Solln doch froh sein, diese ganzn Friedensstifter. Geht doch stiften. Mitm Stift könnt ich ihre Aug ausbohrn.
Stattdessen: Pizza + Roter Bulle + Ballern. Oder lieber mitm Schwerte schnetzeln.
Solln doch froh sein, kopflos, abgeregt.
Regen draußen, Random-Gegner.



Montag, 6. Juli 2015

(Pseudo)Coding Neukölln 1

void awake. void start. player position new. find child.
Waren die Menschen auf der Karl-Marx-Straße früher auch schon so bodenlos in sich selbst gestürzt, ihr Leid derart aufgetürmt in ihren Körperschatten? Hinter dem Horizont geht’s weiter, dort lauern in lauer Luft die Lemuren, trinken den Eierlikör aus großen Eimern. Hey-Ho, hier geht’s in den Zuschauerraum. Kommse rinn, werter Herr, tretense ran, gnädige Frau. (Ein billiger Zirkus. „Alle Straßen münden in schwarze Verwesung“). (Alle Wege müden in graue Verwegung).
void awake. void start. player low, terrain black. if neukölln, then dunkelheit über menschheit.
In den Scripten stehen die Wahrheiten über die Räume, über die Oberflächen. An den Innenflächen nur Werbeplakate, das Fernsehprogramm (debile Geishas in den weiten Ebenen von RTL).
An den Straßenenden endgeile Opfer mit abgefuckten Messern in den Händen, die Klingen nach vorne, die Arme hoch, flieg, krieg dein Kampfgeschehen in den Kopf und sieg. Krieg.
In den Schwimmbecken so ein Flair der Jahrhundertwende. Burkinis und gezwirbelte Schnurrbärte (manchmal auch Bakunins). Im Hintergrund Jugendstilbauten, frisch verputzt zum Trockenwohnen. Abgespackte Styroporplatten. Aber 20 Emchen pro QM.
void asleep, schlaf mein Prinzchen still im Prinzenbad. Du bist ein eingekreuzter Bürger in Neukölln. Friedenaulich zwischen gestützten Klonkriegern. (Wenig witzig, wirres Wortspiel, alberne Alliterationen).
void asleep. Sterben, schlafen, träumen vielleicht. {Script end}


(Oh, C-Shark has pretty teeth, dear / and he shows’em pearly white)




Samstag, 4. Juli 2015

Nicht in den Wind gesprochen, in den Datenstrom gewispert, in das digitale Rauschen. (Digitales Rauschen - auch schon so ein antiquierter Begriff, wie Cyberspace, wie Kom-putter ... alles so Omi-Worte aus den mittleren 80ern, als noch mit Lasern geschossen wurde, gleich nach der Drehscheibe im ZDF).
Aber Unsterblichkeit gibt es nicht an den Tresen der Literaturhäuser. Der Dichter muss sich treiben (mit den neuesten Dichter-Treibern von Nvidia), um diese Mistkugel aus Schriftzeichen den Berg der Zukunft hochzurollen.
Angenommen der Dichter wird zum Klassiker, wird Nationalheiligtum, ein Bismarkhering der Dichtkunst, ein Metternich-Sekt (der täglich vom ETA seiner Zeit gesoffen wird, in Auerbachs Loft am Gendarmenmarkt, im dritten Kreis des Berghains, in der Hitparade der Sterne, sternhagelvoll unterm Mond von Berlin ... O, show us the next Berthold Brecht, I tell you we must find the next Berthold Brecht).
Dann, ja, dann kann der Dichter mit ein paar Jahrhunderten Nachleben rechnen (das Nachleben des Nachtlebens, so to say), damit rechnen das Teile seines Gehirninhalts, oder besser, eine (BETA)Simulation seiner Meinungen und Erinnerungen in ein paar anderen, nachgeborenen Gehirnen überdauern (sofern sie vorher nicht von Rönne seziert werden, in stumpfsinniger Routine).

Aber was sind das schon, ein paar Jahrhunderte? (Nebenbei: leider bekommt der Dichter ja nichts mit von seiner Simulation ... man müsste ein so komplexes Buch programmieren können, das es zu Bewusstsein gelangt, ein sich selbst lesendes, ein sich selbst lektorierendes Buch). 200 Jahre, 300 Jahre, wenn es gut läuft. Das ist gerade mal die drei bis vierfache Lebenszeit des Orginaldichters, der (sozusagen) Alphasimulation, nein, eher des Nullobjekts.
Welche Dichter aus dem 16ten Jahrhundert fallen ihnen spontan ein, lieber Leser, liebe Leserin? (Regieanweisung: von der Seitenbühne ins Publikum gesprochen. Dann: Exit ghost) Hans Sachs? Keine Zeile von ihm hat sich in mein Gehirn eingeprägt. Wieviele aus dem 15ten? Wieviele aus dem 14ten?
Alles ist eitel! (Immerhin den Andreas, den kann der gebildete Zeit-Konsument noch zeilenweise zitieren).

Also doch lieber Kinder in die Welt penetrieren ("Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen", Werner Schwab ... mittlerweile auch schon wieder ein halb Vergessener)?
Die Enkelkinder schon haben nur noch ein Viertel der Information aus den innersten Innereien des Dichters in ihre Festplatten entpackt, und ob diese Programme dort laufen, oder nur Speicherplatz verschwenden, das lässt sich schwerlich klären.
Urenkel ein Achtel. Nach 200, 300 Jahren sind die Dichterquanten maximal in homöopathischen Dosen vorhanden, im Bewusstseinsschaum der Nachfahren.
Die fahren lieber nach Venedig und tauchen nach Ruinen.

Ruiniert ist also der Glaube an die Unsterblichkeit in wenigen Sekunden. Patsch, mit dem nassen Handtuch der Analyse direkt ins eitle Gesicht des Dichters. Patsch, patsch.
Gepatcht wird dieses Bewusstsein nimmermehr, das bleibt jetzt so, das passt schon. Auch wenn es vorzeitig in den SCHLUND saust, der da heißt HADES. (Ach, hör mir doch auf, mit diesen dramatischen, römischen Elegien. Da reagier ich allergisch drauf).

Lieber aufhören zu dichten, stattdessen Genetik studieren und das Leben verlängern. Die 200, 300 Jahre, das kann doch nicht so schwer sein.
BORG mir dein Bewusstsein, ich BORG dir meins. "Dein BAC, mein BAC" schon in zwei Generationen vergessen, all die schönen Werbesprüche meiner Kindheit werden mit meinem Bewusstsein ersterben. BLOG, BLOG.


Unsterblichkeit ist so einfach ...

... vor allem für Hans Sachs

Mittwoch, 14. Januar 2015

In die Leere

Ein Schritt voran, es brechen alle Schritte
Ein leerer Raum, am Rande liegt die Mitte
Über dem Traum, ein Tanzparkett aus Knochen
Der Saum der Nacht, hüllt alle Traumsequenzen

Es sinkt ganz sacht, der Traum in dem wir tanzen
Die Leere schäumt, bringt unser Ich zum Kochen
Nur wenn man träumt, fällt man gelöst voran
nichts das uns säumt, es brechen alle Knochen

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Samstag, 10. Januar 2015

Fraglich ist, wie die Zeit verfasst ist, und ob wir aus ihr heraustreten werden.
Ein Kind hat mit etwa zwei oder drei Jahren ein Schwarzes Loch in seine Erinnerung gestellt bekommen (von wem?); ein Cleaner, ein Vacuum zieht ihm die bisherigen Erlebnisse aus seiner Jetztzeit, wischt das Kind von innen aus. Zuvor aber kann sich das Kind zurückerinnern, funktioniert das Langzeitgedächtnis auch im Alter von 1 1/2 Jahren, kann das Kind fern zurückliegende Geschehnisse repetieren. Danach nicht mehr - als wäre ein geschlossenes Tor nötig, um es von der weiteren Rückerinnerung abzuhalten, über die Geburt hinaus.
Mein Sohn erzählte im Alter von zwei Jahren einmal, dass er sich an ein früheres Leben erinnern könne. Meines Wissens hatte niemand jemals zuvor mit ihm über das Konzept der Reinkarnation gesprochen, aber vielleicht hatte er das Thema irgendwo in der Nachbarschaft oder im Kindergarten aufgeschnappt.
Diese Ausweglosigkeit der Wiedergeburt: kein Paradies, keine Jungfrauen, keine Stille, kein Traum. Nur Trauben in jedem Leben, wieder und wieder. Eine nie enden wollende Mühsal. Vielleicht sehen Säuglinge deshalb so häufig wie kleine Greise aus, Omis und Opis auf Durchreise.
Wen haben sie gesehen, wen werden wir sehen?
Und warum fallen in meinem Haushalt unwillkürlich Plattenstapel vom Klavier, kurz nachdem meine Tochter geboren ward, kurz nachdem die Geister vorbeischauten?


Ektoplasma oder Schnupfen?

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