Dienstag, 30. Dezember 2014

Aber möchten Sie denn überhaupt in mein Gehirn hinein schauen? Ja, bitte doch, hab ja nichts anderes. Ein Schneeberg mäandert in sich selbst und eist Denken hervor, die kleinen Kristalle, Blitze, fairies of abstraction. Eigentlich ist es ja leer dort, wenn man mal so in sich reinschaut, an einem stillem Abend, in den nur das familiäre Baby hinein schreit, in den Abend, als wäre der Abend eine unaufgeräumte Kammer, angefüllt mit glitzernden screams of the baby.
Wieso nur wird meine Persönlichkeit mehr und mehr britisch, wenn ich Britisch lerne? Wo versteckt sich der preußische Uniformknopf dann, an dem man meine transkontinentale Verwegenheit ausschalten kann? Verkaufe die Schlossallee, kaufe Bondstreet. Aber Persönlichkeit wird nicht daraus, nicht in 1000 Jahren.
Denn Persönlichkeit setzt mehr voraus, als Gerede im Kopf. --- Wie sich meine schreibenden Hände auf den Kopf fokussieren, wie die tippenden Finger das Gehirn ihres Körpers betrachten. Ein kopfloser Körper, der die Finger bewegt. Oder Finger, die ihren Körper veranlassen, sie zu bewegen.
Es wird nicht deutlicher im Schreiben, wer man ist, man ist, ist. Fraglich das alles, zusammen geleimt nur aus Versatzstücken der Erinnerungen (von wem, an was?), aus erlernten Sprachen, die friedlich vor sich hin plappern, die nicht mal einen Mund brauchen, Zunge schon gar nicht (und schwupps, kommt meiner Person eine Rinderzunge in den Kopf. Da liegt sie nun unter der Schädeldecke und schlabbert das Gehirn an).
Die Neurologen, die Nekromanten, selbst die Neopathen sagen alle vehement: man kann sein Denken nicht betrachten, nicht nachdenken über das Gedenkzeug. Aber ich sage: mir glückt das sehr wohl, wenn ich mich servil über meine Lappen beuge. Nur zu sehen bekomme ich da nix, zu denken schon gar nicht. Geplapper und Geschnatter der Fingerkuppen.
Ansonsten glotzt das Gehirn aus den Augen und schaut dumm aus der Wäsche.


Leonardo da Vinci
Studie des Gehirns und der Kopfhaut

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Montag, 29. Dezember 2014

Diese Lächerlichkeit deutscher Schauspieler.
Wenn sie in den Hörfunk-Stücken sprechen; man hört sie jede Silbe wohlüberlegt betonen, oder auch nicht, oder nur ein bisschen – aber immer wohlüberlegt. Das haucht die Künstlichkeit sogar in den Bühnenhimmel des RBB, oder welchen Sender auch immer ich versehentlich eingestellt hatte, auf der Flucht vor dem grölenden, manischen Fußballbericht.
Mit amerikanischen oder französischen Schauspielern dieses deutsche Bühnen-Elend zu vergleichen, das habe ich schon lange aufgegeben. Aber ich frage mich dies und das:
Wo lernt man so etwas, an welchen, vermutlich staatlichen, Glitschen wird so eine verlogene Emphase gelehrt?
Und sind diese ganzen Bühnenschauspieler dermaßen beschränkt, ebenso wie die Fernsehschauspieler es sind, zu erkennen, dass dieses auswendig gelernte Sprechen jede wirkliche Emphase, jede Authentizität verhindert?
Und woher kommt das? Welchen Traditionen folgt das? Die letzten Nachwehen (wohl besser Sterbeseufzer) des Expressionismus? Oder doch eher das kalt gehaltene Triumphgeheul des Abendberichts vom OKW?
Und von der guten, alten Zeit gesprochen: Sowieso ein Gruselstück, Radiosprechern der 50er Jahre zuzuhören, denen der Casino-Tonfall noch auf der Zunge festgeleimt schien. Besser wurde das erst diesseits von 1968, aber selbst in den 70er Jahren leuchtete so ein preußischer Glanz (ohne Gloria) durch die Stimmbänder mancher Akteure. (Ui, was für ein schiefes Bild).

Und vermutlich sind auch Hitler und seine Speichellecker nicht ganz unbeleckt vom deutschen Expressionismus geblieben. Man betrachte nur die Posen-Bilder des Führers, wie er seine knubbeligen Hände in die schicksalhafte Luft krallt. Das hätte auch Egon Schiele so darstellen können.

Doch zurück zu den Schaustellern („Hol die Wäsche rein, Kind, die Gaukler sind in der Stadt“).
Es ist doch ganz einfach: Ich würde zehn deutsche Provinzbühnen + alle landesbetreuten Hörspiel-Redaktionen gegen einen, sagen wir, Leonardo DiCaprio eintauschen.

Und der soll dann Rimbaud spielen, an der Volksbühne, zwanzig Spielzeiten lang. Und übertragen wird das auf allen Kanälen, 24 Stunden, 7 Tage die Woche.



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Sonntag, 28. Dezember 2014

Stellen wir uns die Dunkelheit als einen schwarzen Wackelpudding vor, eine mächtige, kubusförmige Götterspeise. Die Hölle als Einrichtungsgegenstand, ein infernales Möbel, Ikeas Armageddøn.
Nun hinein mit dem Kopf, so dass die Augäpfel, diese hundertjährigen Eier, ganz schwarz werden. Erst färben sich die Aderngeflechte wie bei einem Hollywood-Wiedergänger, dann all dieses Eiweiß. Und der Kopf klebt schon.
Hinein in die gute Stube den Leib, in den Pudding, der so paradiesisch im Wohnzimmer schwebt, oder in der Abstellkammer (doch, nein, die ist zu klein für den wachsenden, sich ausbreitenden, das Zimmer mehr und mehr einnehmenden Kubus). Nur noch die Füße staken heraus, die winterlich weißen Käsemauken.
Auslöffeln kann kein Schlaraffe diesen Pudding, dieses tiefe, dicke Schwarz.



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Samstag, 27. Dezember 2014

Aber wie denn in die Buchstaben sinken, in dieser Schellenzeit mit Blick aus dem grau gespiegelten Fenster, wie denn in die Grütze des Tages tauchen, eintauchen in die Wegstrahlen des Außen? Und wann ein Fragezeichen setzen in einen Text, der erst im Januar beginnen sollte. Hier setzen sie bitte kein Fragezeichen.
Wäre ich doch ein Fälscher, könnte mit Kirchstuhlstaub die Papiere bestäuben, auf das Gedichte sprießen, bestäubt, betäubt von all dem literarischen Weltgehaltsuntergangsgedröne (hatten wir schon, hat keiner gekauft), Sproßen in den Himmel hämmern, und aufsteigen, ja, aufsteigen. Aber wem lüftet das den Ionenschwall in den Axionen? Hier bitte ein Fragezeichen setzen.
Aber, aber, mein Kleiner, könnte man nicht völlig verfälscht eine Tinte trinken und Grimmen spucken auf die Orangenhaut der Abenddämmerung, die ja schon lang in Nacht vertropft ist, grau wird’s ja nicht mehr bis zum Morgen, vielmehr sitze ich in Bach, in der Tube sitzt Bach und lautet sein Lautenspiel durch einen lebenden Lautenisten zu mir hin, in mich rein. Wo waren wir stehen geblieben? Fragezeichen. Wir waren in der Nacht stehen geblieben.

Wenn die Stille stammelt. Der Schnee taumelt. Die Staffage sich in die Laken wickelt. Ach, ein de Chirico, in dem ich lebe, ich klebe zwischen den metaphysischen, den konfusen Schatten. Und ich zahle meine Schuld in Ratten an die Nacht, die olle Jungfrau.



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