Dienstag, 30. Dezember 2014

Aber möchten Sie denn überhaupt in mein Gehirn hinein schauen? Ja, bitte doch, hab ja nichts anderes. Ein Schneeberg mäandert in sich selbst und eist Denken hervor, die kleinen Kristalle, Blitze, fairies of abstraction. Eigentlich ist es ja leer dort, wenn man mal so in sich reinschaut, an einem stillem Abend, in den nur das familiäre Baby hinein schreit, in den Abend, als wäre der Abend eine unaufgeräumte Kammer, angefüllt mit glitzernden screams of the baby.
Wieso nur wird meine Persönlichkeit mehr und mehr britisch, wenn ich Britisch lerne? Wo versteckt sich der preußische Uniformknopf dann, an dem man meine transkontinentale Verwegenheit ausschalten kann? Verkaufe die Schlossallee, kaufe Bondstreet. Aber Persönlichkeit wird nicht daraus, nicht in 1000 Jahren.
Denn Persönlichkeit setzt mehr voraus, als Gerede im Kopf. --- Wie sich meine schreibenden Hände auf den Kopf fokussieren, wie die tippenden Finger das Gehirn ihres Körpers betrachten. Ein kopfloser Körper, der die Finger bewegt. Oder Finger, die ihren Körper veranlassen, sie zu bewegen.
Es wird nicht deutlicher im Schreiben, wer man ist, man ist, ist. Fraglich das alles, zusammen geleimt nur aus Versatzstücken der Erinnerungen (von wem, an was?), aus erlernten Sprachen, die friedlich vor sich hin plappern, die nicht mal einen Mund brauchen, Zunge schon gar nicht (und schwupps, kommt meiner Person eine Rinderzunge in den Kopf. Da liegt sie nun unter der Schädeldecke und schlabbert das Gehirn an).
Die Neurologen, die Nekromanten, selbst die Neopathen sagen alle vehement: man kann sein Denken nicht betrachten, nicht nachdenken über das Gedenkzeug. Aber ich sage: mir glückt das sehr wohl, wenn ich mich servil über meine Lappen beuge. Nur zu sehen bekomme ich da nix, zu denken schon gar nicht. Geplapper und Geschnatter der Fingerkuppen.
Ansonsten glotzt das Gehirn aus den Augen und schaut dumm aus der Wäsche.


Leonardo da Vinci
Studie des Gehirns und der Kopfhaut

.

Montag, 29. Dezember 2014

Diese Lächerlichkeit deutscher Schauspieler.
Wenn sie in den Hörfunk-Stücken sprechen; man hört sie jede Silbe wohlüberlegt betonen, oder auch nicht, oder nur ein bisschen – aber immer wohlüberlegt. Das haucht die Künstlichkeit sogar in den Bühnenhimmel des RBB, oder welchen Sender auch immer ich versehentlich eingestellt hatte, auf der Flucht vor dem grölenden, manischen Fußballbericht.
Mit amerikanischen oder französischen Schauspielern dieses deutsche Bühnen-Elend zu vergleichen, das habe ich schon lange aufgegeben. Aber ich frage mich dies und das:
Wo lernt man so etwas, an welchen, vermutlich staatlichen, Glitschen wird so eine verlogene Emphase gelehrt?
Und sind diese ganzen Bühnenschauspieler dermaßen beschränkt, ebenso wie die Fernsehschauspieler es sind, zu erkennen, dass dieses auswendig gelernte Sprechen jede wirkliche Emphase, jede Authentizität verhindert?
Und woher kommt das? Welchen Traditionen folgt das? Die letzten Nachwehen (wohl besser Sterbeseufzer) des Expressionismus? Oder doch eher das kalt gehaltene Triumphgeheul des Abendberichts vom OKW?
Und von der guten, alten Zeit gesprochen: Sowieso ein Gruselstück, Radiosprechern der 50er Jahre zuzuhören, denen der Casino-Tonfall noch auf der Zunge festgeleimt schien. Besser wurde das erst diesseits von 1968, aber selbst in den 70er Jahren leuchtete so ein preußischer Glanz (ohne Gloria) durch die Stimmbänder mancher Akteure. (Ui, was für ein schiefes Bild).

Und vermutlich sind auch Hitler und seine Speichellecker nicht ganz unbeleckt vom deutschen Expressionismus geblieben. Man betrachte nur die Posen-Bilder des Führers, wie er seine knubbeligen Hände in die schicksalhafte Luft krallt. Das hätte auch Egon Schiele so darstellen können.

Doch zurück zu den Schaustellern („Hol die Wäsche rein, Kind, die Gaukler sind in der Stadt“).
Es ist doch ganz einfach: Ich würde zehn deutsche Provinzbühnen + alle landesbetreuten Hörspiel-Redaktionen gegen einen, sagen wir, Leonardo DiCaprio eintauschen.

Und der soll dann Rimbaud spielen, an der Volksbühne, zwanzig Spielzeiten lang. Und übertragen wird das auf allen Kanälen, 24 Stunden, 7 Tage die Woche.



.

Sonntag, 28. Dezember 2014

Stellen wir uns die Dunkelheit als einen schwarzen Wackelpudding vor, eine mächtige, kubusförmige Götterspeise. Die Hölle als Einrichtungsgegenstand, ein infernales Möbel, Ikeas Armageddøn.
Nun hinein mit dem Kopf, so dass die Augäpfel, diese hundertjährigen Eier, ganz schwarz werden. Erst färben sich die Aderngeflechte wie bei einem Hollywood-Wiedergänger, dann all dieses Eiweiß. Und der Kopf klebt schon.
Hinein in die gute Stube den Leib, in den Pudding, der so paradiesisch im Wohnzimmer schwebt, oder in der Abstellkammer (doch, nein, die ist zu klein für den wachsenden, sich ausbreitenden, das Zimmer mehr und mehr einnehmenden Kubus). Nur noch die Füße staken heraus, die winterlich weißen Käsemauken.
Auslöffeln kann kein Schlaraffe diesen Pudding, dieses tiefe, dicke Schwarz.



.

Samstag, 27. Dezember 2014

Aber wie denn in die Buchstaben sinken, in dieser Schellenzeit mit Blick aus dem grau gespiegelten Fenster, wie denn in die Grütze des Tages tauchen, eintauchen in die Wegstrahlen des Außen? Und wann ein Fragezeichen setzen in einen Text, der erst im Januar beginnen sollte. Hier setzen sie bitte kein Fragezeichen.
Wäre ich doch ein Fälscher, könnte mit Kirchstuhlstaub die Papiere bestäuben, auf das Gedichte sprießen, bestäubt, betäubt von all dem literarischen Weltgehaltsuntergangsgedröne (hatten wir schon, hat keiner gekauft), Sproßen in den Himmel hämmern, und aufsteigen, ja, aufsteigen. Aber wem lüftet das den Ionenschwall in den Axionen? Hier bitte ein Fragezeichen setzen.
Aber, aber, mein Kleiner, könnte man nicht völlig verfälscht eine Tinte trinken und Grimmen spucken auf die Orangenhaut der Abenddämmerung, die ja schon lang in Nacht vertropft ist, grau wird’s ja nicht mehr bis zum Morgen, vielmehr sitze ich in Bach, in der Tube sitzt Bach und lautet sein Lautenspiel durch einen lebenden Lautenisten zu mir hin, in mich rein. Wo waren wir stehen geblieben? Fragezeichen. Wir waren in der Nacht stehen geblieben.

Wenn die Stille stammelt. Der Schnee taumelt. Die Staffage sich in die Laken wickelt. Ach, ein de Chirico, in dem ich lebe, ich klebe zwischen den metaphysischen, den konfusen Schatten. Und ich zahle meine Schuld in Ratten an die Nacht, die olle Jungfrau.



.

Mittwoch, 12. März 2014

Schwierig natürlich ganz und GAR (augekocht) ohne Filter zu schreiben, Gitane aller Schriftsteller (Fallensteller, Fuß in der Angel, bang wird mir ganz und gar dabei. Gans im Kochtopf. Hopp, hopp, rein ins kalte Wasser, gekocht wirst du bei 0 Grad Kelvin. Graduell ist das natürlich in erster Linie (auf dem Strich, du Nutte zu Literatur - © Rinck) ein Duell mit dem eigenen Kopfe ... wer wird siegen? Über- oder Unter-Ich. ES schreit geradezu nach einer wertigen, offenen und offenbaren Selbstdarstellung (Schauspieler-Sohn bist Schausteller geworden - Junger Mann zum Mitreisen gesucht. Nur zu alt dafür jetzt). Aber es ist natürlich ein KILLER, all die Gedanken (FETZEN, MUS) herauszuposaunen, tirilieren, abrasieren (Schweineborsten (wo kommt das jetzt her?), in einem Pinsel zusammengefasst, der ja ein grobes Bild (Tuschkasten, vielleicht auch ein Tusch von der Zirkuskapelle des LITbetriebs) pinseln könnte).
Aber die NAMEN der engsten Facebook-Kollegen (das Hirn mit Collagen aufgespritzt - ihres oder meines, das ist nicht so ganz klar) nennen? SELBSTzerstörung kann so lustig sein. Prustend sitze ich im Bett (auf dem Bett, im kann man nur liegen. Wobei, ich liege ja halb, halb zog es mich nieder (BÖSE Menschen haben keine Lieder), und draußen noch immer Licht, vor zwei Monaten war es noch dunkel, ich in DEPRESSionen sitzengelassen von meinem mir wenig wohlwollenden Selbst. FRÜHLINGSMANIE, nie habe ich dich vergessen, nun schlägst du wieder aus. RAUS aus dem Haus komme ich bald, im Schneckentempo (die Gelenke schmerzen, das Alter, ach, es schreitet, wie zu einer Pavane von LULLY)
Aber wirklich die NAMEN nennen, die ja im Kopf ungefällig umhergemurmelt werden, wie Murmeln, wie ein Murmeln. (GLASauge, Tigerauge, Halbedelstein - sei wachsam, das innere AUGE wacht, habt acht, wohl dem der hier noch FREUNDE hat). Auf FACEBOOK derweil wieder Kommentare der sinnlosesten Sorte. Alles fokusiert sich auf Leipzig, auf den zukünftig bepreisten NeulingsMITTELgroßschriftsteller. Weh, o weh, wohin sind verschwunden all meine WAREN, sinds die Bücher die noch unter den ARGUS-Augen der Entscheider dumm herumliegen, der Entscheider, die entschieden in andere Richtungen schauen.
Und wenn ich dann NAMEN nennen würde, wären die entschiedenen, die entscheidenden Blicke nicht vollends von den weisen Augendeckeln überklappt und abgeschirmt? (Sex, Eindrücke von Alltagsgeräuschen, SOUNDS, der Computer surrt leise, vor dem inneren Auge jetzt nichts, stattdessen vor dem äußeren: meine Hände, ausgedort vom Winter, überraschend faltig. Doch wenn ich die Brille ablege, dann ist alles wieder GUT. (Mechanisches Abschließen der Vorgänge. Nach Diktat dick vermilchreist. 80er-Schock, Jahre später, Werbepause, aus).


Collagen
Doppelhelix

.



- SCHNITT -

GOPHER-SPACE.
Wenn das Internet nicht von dem WWW getüncht worden wäre, sondern von Gopher, in welchem Space würden wir uns jetzt bewegen?
Geld spielt keine Rolle. Aber Geld spielt eine Rolle. Aufgerollt die Möglichkeiten des BTX, Minitel etc pp. (Draußen im Hof kippt das Licht langsam hinter den Dachfirst). Ein Telefon von LOEWE vor mir auf dem Tisch (Tee, stark gesüßt. Mittelmäßiger Schweißausbruch lässt mich müffeln. Keine Zeit zum Duschen). Loewe, eine Firma, die es vermutlich auch nicht mehr gibt. Oder liegt das nur an meinen eingeschränkten Weltwahnnehmungen, an der fernsehlosigkeit, realitätsblödigkeit, der vergangenen Jahre, die so unregelmäßig als einzelne, aufgeteilte Streams sich in meinem TV-Kopf voneinander wegbewegen, wieder zusammentrudeln, sich aber nie mehr nicht vollständig berühren. So dass eine Erinnerung an das Jahr 2005 schon endlos lange zurückliegt, hingegen eine andere aus dem selben Jahr sich aus kürzester zeitlicher Distanz nähert. Zack.
(Zug aus der E-Zigarette, Autogeräusche draußen, Fensterrahmen, schon fast ikonenhaft oft fotografiert von mir, in den letzten Jahren, Zeit-Clustern. Lewitscharoffs missgünstiges Hausfrauengesicht nun vor dem inneren Auge (DAS INNERE AUGE - eine gänzlich lasche Selbstüberwachung. Spiegelung an die leere Leere vor mir, Luftleinwand. Aber doch recht konsistent diese grellroten Lippen der Lewitscharoff, grell, ungut - und dieser Löwe in ihrem Roman natürlich ein blödes Bild für nichts Wesentliches, eine fade Metapher, ausgewalzt zur Freude des überwiegend dümmlichen Feuilletons, das ja jetzt empört zurückrudert in seiner Weihrächerung der Mittelgroßschriftstellerin, die nun, Überraschung, Überraschung, all die Nichtigkeit ihres Vorstellungsdenkens auf ein weniger goutierbares Thema als Löwen gelenkt hat) - (Wieviele Klammern muss ich an dieser Stelle des Textes schließen?) ))) )))
Und immer diese ZEITNOT. Dem Sterben forsch entgegengeschritten. Ha, Hallo, da is er ja, kann ihn schon sehen, mit dem übergroßen Fernglas der Imagination. Aber weit weg noch eigentlich, noch nicht auf den Weg gemacht hat er sich.
Da hilft nur noch BACH. All dieser TechnikMüll auf dem Wohnzimmertisch (den ich als Schreibtisch nutze, seit ich nicht mehr rauche, und also die Wohnung volldampfen kann, mit meiner merkwürdigen E-Zigarette). Müll, der jetzt noch weltbewegend zu sein hat, mir aber, natürlich, natürlich, wir sind ja Empfindsam, für einen kurzen Moment die Sehnsucht, Sehnensucht, Muskelsucht (aufgehängt an Bogensehnen oder Klaviersaiten, oder Darmsaiten der Gitarre, die drüben, im Zimmer nebenan, ein staubiges Dasein fristet (Hey, ich könnte noch mal Lieder erbrüten, Rochstar werden, endlich Geld verdienen, mich lächerlich machen) nach allumfassender, landschaftshinterlegter, milde natureller Ruhe eingibt.
Aber das ist natürlich Schwachsinn. Das INTERNET muss ja am Laufen gehalten werden. BLOG BLOG. Ein Meckern wie von einer Ziege in mir.
Auch ein Neuananfang kann eine Niederlage sein. Eine Biederlage. Befindlichkeit: Null. Befremdlichkeit: Eins.
(Ich geh jetzt das GOPHER-Netz suchen. Vielleicht kann ich es mit dem Loewe-Telefon von 1991 erkoppeln ... ?)))




.

Samstag, 8. Februar 2014

Wenn ihr neue Gedichte von mir lesen wollt, kauft meinen neuen Gedichtband. Tut auch nicht weh, naja, ein bisschen vielleicht.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.



Habe die Ehre . . .

.

Freitag, 7. Februar 2014

(Kafka betritt das Behandlungszimmer. Benn schaut flüchtig von seinem Schreibtisch zu ihm rüber).

Benn: Etwas Venerisches, nehme ich an?
Kafka: Nein, Herr Doktor, nur das Gemüt.
Benn: Ah ja. Aber wieso kommen sie dann zu mir? Ich bin kein Nervenarzt.
Kafka: Es hieß, sie könnten etwas verschreiben.
Benn: Sind sie mir denn empfohlen worden?
Kafka: Ja, von Brod. Max Brod.
Benn: Ah ja. Und wie war doch gleich ihr Name?
Kafka: Kafka, Franz Kafka.
Benn: Kafka also. Mh. Tscheche, nehme ich an. Ich kenn den Namen. Sind sie nicht auch Schriftsteller? Wie dieser Brod?
Kafka: Nein, nicht in erster Linie.
Benn: Doch, doch, sie haben bei Wolff veröffentlicht. Jetzt hab ich's wieder. Irgendwas merkwürdiges. Ich erinnere mich nicht an den Titel. - Insekten, oder dergleichen.
Kafka: Nur eine unbedeutende Arbeit.
Benn: Ja, ist unser aller Arbeit nicht unbedeutend?
Kafka: Ich fand ihre Gedichte bemerkenswert. Ich habe sie unlängst in den Weißen Heften gelesen.
Benn: Wie auch immer. Genug davon. Was möchten sie denn verschrieben haben? Preludin?
Kafka: Nein, man hat mir Pyramidon empfohlen.
Benn: Ah, eine interessante Wahl. (Schreibt ein Rezept). Sagen sie, kennen sie nicht auch diesen Meyrink? Gustav Meyrink? Sind sie mit dem nicht bekannt? Der ist doch auch aus Prag.
Kafka: Nein, tut mir leid.
Benn: Ich meine, weil der auch aus Prag ist und so ähnliche Sachen schreibt wie sie. Auch so phantastische Geschichten.
Kafka: Ich glaube nicht. Eigentlich sehe ich da überhaupt keine Ähnlichkeit.
Benn: Nun ja, wie auch immer. Meine Frau liest den recht gerne. (Reicht ihm das Rezept). So, das wäre das. (Erhebt sich). Sagen sie, was führt sie nach Berlin?
Kafka: Meine Frau, meine zukünftige Frau.
Benn: Sehr schön. Und was macht die Arbeit? Neues Buch in Mache?
Kafka: Ja, über einen Landvermesser. Aber es wird nicht gut. Leider.
Benn: Keine leichte Sache, dieses Schreiben, finden sie nicht? - Ich habe es mal zu meinem eigenen Vergnügen durchgerechnet. Mit meinen Gedichten habe ich in den letzten zehn Jahren Zweimarkfuffzig verdient, im Monat, im Durchschnitt. Unglaublich blödsinnige Sache. Man weiß ja gar nicht, warum man sich das Ganze antut. Sagt meine Frau auch. (Geht zum Tresen, greift sich eine Flasche und zwei Gläser). Einen Cognac? Das ist doch das Einzige, was einen in Betrieb hält.
Kafka: Ich weiß nicht. Normalerweise trinke ich keinen Alkohol.
Benn: Einer wird sie schon nicht umhauen.
Kafka: Ja, vermutlich.
(Beide trinken. Kafka bekommt einen Hustenanfall).
Benn: Das hört sich aber gar nicht gut an. Ich bin zwar kein Fachmann, aber als Mediziner im Allgemeinen würde ich ihnen empfehlen, das untersuchen zu lassen.
Kafka: Oh, das ist nichts Neues.
Benn: TB?
Kafka: Ja.
Benn: Dumme Sache.



.

Freitag, 24. Januar 2014

Am Insulaner (dem Hügel aus Weltkriegsschutt) befand ich mich heute Nachmittag in einem Brueghel, einem grau gefirnissten Barockgemälde.
Die Kinder schnellten auf ihren Schlitten den verharrschten Hang hinab, eingemummt in dicken Mänteln und Mützen, mit Dampf vor den Mündern, aus denen spitze Schreie der Begeisterung in die einsetzende Dämmerung hallten.
Eine Grisaille. Nur Grautöne waren wahnehmbar. Das feinste Perlgrau der beschneiten Wiese ging über in einen Himmel aus Granit.
Und unter diesem Himmel mein Junge und ich, auf einem Schlitten Marke Davos, mit roten Wangen und leuchtenden Augen; es hätte nicht barocker sein können.

Mit klammen, vor Kälte unter den Nägeln schmerzenden Fingern, zog ich meinen Sohn später durch die Kleingärten, und der Himmel über uns: groß und unwirklich, als wäre schon immer Winter gewesen. Glück könnte man das nennen.
Zu Hause dann fand ich einen großen Briefumschlag auf meinem Schreibtisch, den mir meine Frau hingelegt hatte. (Mein Briefkastenschlüssel schon vor Wochen verschwunden). Und sie selbst hatte sich ebenso hingelegt, zerschlagen von dem täglichen Broterwerb, aber doch auch mit glühend roten Wangen.
Im Briefumschlag eine Aufforderung des Arbeitsamts, der ich Folge zu leisten haben würde (irgendwelche Dokumente würden herbeigeschafft werden müssen), und die mir die Laune verhagelte.
Im Barock wäre ich ein Tagelöhner gewesen, oder würde in Frohn arbeiten, oder wäre bereits verhungert. Aber vielleicht mit mehr Würde.

Ach, im Barock zu leben wäre großartig gewesen. Formidabel, famos.
Der nächtliche Himmel übersät mit Sternen, die Landschaft in ein durchsichtiges Dunkelgrau gehüllt, in der Ferne ein paar Herdfeuer.
Gedichte hatten noch einen Wert, Facebook war noch nicht erfunden (das dieser Tage in einer amerikanischen Studie mit der Beulenpest verglichen wird).
Echtes Essen, direkt im Wald geschosssen (mit den ersten Flinten) oder gesammelt, auf den Feldern mit der Sense geerntet, von den Sträuchern gespflückt. Echtes Essen, wenn auch gelegentlich leicht über dem Mindeshaltbarkeitsdatum.
Keine Autobahnen, keine Windräder, keine Überlandleitungen, Hochspannungs-
masten, Maschendrahtzäune. Und rauchen durfte man in jeder Taverne, wenn auch nur Pfeife (Zigaretten sind ja noch gar nicht erfunden gewesen).
Und Wald! Viel Wald! Dichter Wald! (Mit Wölfen und Räubern).
Beulenpest! Blattern! Lepra! Englischer Schweiß (die mysteriöseste Krankheit der Menschheitsgeschichte).
Keine Antibiotika! Keine Betäubungsmittel außer Alkohol und Tollkirsche.

Ich wäre verreckt an der Meningokokken-Infektion, die mich vor fünf Jahren auf das Krankenlager warf, so wie in seiner Zeit vermutlich Mozart.
Oder ich hätte mir den Darm in einem Leistenbruch eingeklemmt, den ich mir vor drei Jahren operieren ließ (die ersten dieser Operationen wurden vor rund 130 Jahren von Eduardo Bassini durchgeführt). Ein eingeklemmter Darm ist kein Vergnügen; das Gewebe stirbt ab, wird nekrotisch. Man verfault bei lebendigen Leibe, wenn einen die Sepsis nicht vorher dahinrafft. (All die Verblichenen).
Ach, wie liebe ich das 21ste Jahrhundert! Die abgepackten, konservierten Lebensmittel, das elektrische Licht, die Gedichte der Kollegen, Wikipedea! Facebook!
Wenn ich in den Wald, wenn ich Wölfe und Räuber mit meinem Claymore-Schwert zerschlagen will, fahre ich das Notebook hoch und spiele: Vergessen. Oblivion


N.N.

.

Mittwoch, 22. Januar 2014

Es gibt Lichtstimmungen, die mich an meine Kindheit erinnern. Aber es ist mir trotzdem ein Rätsel, warum mich gerade dieses hellgraue Winterlicht in die Kindheit bringt, das heute vom frischen Schnee in mein Zimmer reflektiert wird.
Und dieses hohe Zimmer mit dem floralen Stuck des Jugendstils, mit dem Fischgrätparkett und den ägyptisierenden Türklinken erinnert mich ebenfalls vage an meine Vergangenheit, obwohl ich in einer ganz anderen Wohnung großgeworden bin. In den winzigen Räumen eines mittelalterlichen Hauses, in dem eine dunkel gebeizte Barocktreppe in die Hausdiele führte; mit kalten Kammern, in denen die Fenster nach außen hin öffneten. Bei Sturm schlugen die Fensterflügel gegen die Fassade, im Winter waren die Scheiben überzogen von Eisblumen.
Es gibt Bilder in meinem Kopf, die wie Ikonen an meine Schädelwand gehängt sind, aber ich weiß nichts mit ihnen anzufangen. Ein anderes Zimmer erinnere ich, da war die Stirnwand mit einer Phototapete bedeckt, ein tiefgrüner Wald, sonnendurchflutet, spätsommerlich, vielleicht auch schon herbstlich. Da hätte ich reingehen können, denkt das konservierte Kind in mir.
Aber ich bin in diesem Zimmer niemals gewesen. Ich habe jahrelang über diesen Raum nachgedacht. Ich kann mir nicht versichern, dass dieser Raum existierte. Diese Fremdheit.
Draußen vor den Fenstern das Licht in den Hängen der Häuser, der Schnee auf dem ausgeglühten Asphalt.



.

Dienstag, 21. Januar 2014

der nepper, der schlepper

ich bin der nepper, der schlepper, der bauernrapper
ich kill deine kuh im nu. schmu mach ich niemals
ich bin fieser als das dickste rind, mein kind

Ich bin der landwirt. den sand wird keiner beackern
auf den feldern der poesie wird niemand rackern
ich säe die buchstaben in den boden
doch es wächst keine buche, schon gar keine oden
darum schlag ich euch mit meinem slam in die hoden
denn ich schlag gern zu, ich mach keinen schmu

ich weiß, kein scheiß, ich schreib die falschen gedichte
ihr wichte. bald drück ich euch den slam, bäm bäm
mit schwerem schock in eure rockfalten, ihr alten penner
wie nennt man euch: lyrikkenner? (könnt ihr behalten)
ich werd euer ich spalten. ihr macht bald den kalten

ich bin der nepper, der schlepper, der bauernrapper
ich kill deine kuh im nu. schmu mach ich niemals
ich bin fieser als das dickste rind, mein kind


*

Werde ich jetzt berühmt, wird die BILD über mich schreiben? Erhält dieses Werk (das ich machte) jetzt auch 3 Millionen KLICKS, wie Julia Engelmanns nachdenkliche POETRY?



.