Dienstag, 28. Mai 2013

Ich hatte es ja schon vor einigen Monaten angekündigt, und jetzt ist es soweit: heute ist Bitterstoffe als eBook bei Amazon erschienen. Für schlappe 2.99 Euro könnt ihr meinen ersten Roman, der 2009 bei Rotbuch einen kleinen Schiffbruch erlitten hatte, kaufen, lesen und beurteilen (ich wäre für jede Fünf-Zeilen-Rezension dankbar, denn nur diese können das Buch in den Amazon-Listen nach oben schwemmen).

Kollege René Hamann schrieb seinerzeit in der taz: 
Erzählt ist Bitterstoffe in einer angenehm kargen, nüchternen, heruntergeschraubten und doch immer wieder zu poetischen Wirkkraft fähigen Sprache. Eine Beschreibung, eine zweite, und schon ist ein ganzer Emotionskosmos dargestellt


Hier geht es >> zum Buch <<
Und so sieht es aus:




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Samstag, 25. Mai 2013

(Über das Scheitern II)

Im Heyne-Verlag gab es in den frühen 80er Jahren eine Lyrikreihe. Monatlich wurden dort mit einheitlichem, weißem Umschlag Gedichtbände aus der klassischen Moderne oder sogar ein zeitgenössisches Werk publiziert, meist als Lizenzausgabe eines Verlags wie Luchterhand, Piper oder Limes (die seinerzeit noch Lyrik veröffentlichten - unglaublich aber wahr). Die Auflagen lagen teilweise bei 8000 Exemplaren (soviele werden heute nicht mal mehr von einem neuen Durs-Grünbein-Buch gedruckt).
Solche großen Publikumsverlage wie Rowohlt, Fischer und auch eben Heyne hatten Jugendbuchserien wie Panther, Boot oder Scene, die in jeder ihrer Anthologien nicht nur Kurzgeschichten (und zwar manchmal geradezu avantgardistische Kurzgeschichten) brachten, sondern auch Gedichte, und nicht wenige.
An den Kassen der Buchhandlungen lagen nicht nur die neuen Bücher von Michael Ende oder Johannes-Mario Simmel, sondern auch die von Erich Fried und Wolf Wondratschek.
Lyrik hatte Relevanz, Lyrik wurde gekauft. Ich glaube sogar: Lyrik wurde gelesen.
Das war die Athmosphäre, in der ich Gedichte zu schreiben begann, 1983, mit dreizehn Jahren. Und ich war voller Zuversicht, später damit mein Leben gestalten zu können.

Dann kam die Wende von 1989 und der Höllenritt in das Weltreich der sogenannten Globalisierung. In einem unheimlichen Tempo wurden die deutschen Literatur- und Publikumsverlage von zwei Konzernen aufgekauft (Bertelsmann und Holtzbrinck), und alles was nicht marktkonform war, wurde nicht mehr gedruckt. Es wurde einfach nicht mehr gedruckt. Vorbei. McKinsey hatte entschieden, dass das Land keine Gedichte braucht.

Und sie hatten recht: das Land brauchte keine Gedichte. Sie wurden nicht mehr in den großen Verlagen veröffentlicht, und keiner kaufte sie, auch nicht in den kleinen Verlagen, wo fortan die Dichter ein karges Asyl fanden.
Es interessierte niemand. Vorbei.

Hatte ein Debütant in den 80er Jahren üblicherweise noch 500-600 Exemplare von einem Gedichtband verkauft, sind es jetzt 100-200, wenn es gut läuft.
Ich kenne Debütanten, die verkaufen 20-30 Stück von ihrem ersten Buch, an dem sie jahrelang gefeilt haben. Ich kenne bekannte, fast berühmte Dichter, die verkaufen keine 500 Stück mehr, trotz Hymnen im Feuilleton.
Insofern ist die verkaufte Auflage meines dritten Gedichtbands von 110 Exemplaren gar nicht mal so schockierend. Sie ist eher Durchschnitt.

Und das bedeutet: das Gedicht an sich ist völlig marginalisiert, es findet in dieser Gesellschaft nicht mehr statt. Selbst die Kollegen kaufen kaum jeden neuerschienenen Band, sonst müssten die Auflagen höher sein.
Jedoch die 50 bis 150 Stück, die dann eben verkauft werden, stehen in den Regalen dieser Kollegen und vielleicht noch in denen einiger Germanisten.
Das sogenannte Bildungsbürgertum (das geistig ja völlig vernichtet wurde in den letzten zwanzig Jahren) kauft Frank Schätzing und Stephanie Meyer.
Dunkelheit legt sich über das Land.


Kartons

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Donnerstag, 23. Mai 2013

(Über das Scheitern I)

Ich lebe seit nunmehr zwanzig Jahren immer wieder über längere Strecken von Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, Arbeitslosengeld II, je nachdem wie die Almosen vom Staat gerade heißen.
Das letzte Mal, dass ich nicht am Hungertuch genagt habe, war das zweite Halbjahr 2001; da war mir das Arbeitstipendium des Berliner Senats zuerkannt worden. Ich bekam sechs Monate lang jeweils 2000 Mark überwiesen. Ich war reich. Ich war für eine Weile anerkannt.
Das ist lange her. Mittlerweile lebe ich schon wieder mehr als zwei Jahre von ALG II. Meine Kleidung ist abgetragen (wie ich gerade gestern erneut auf einem Photo feststellen musste, das mein vierjähriger Sohn aufgenommen hatte), ich kann mir keine bessere leisten. Die Gedichtbände der Kollegen sind viel zu teuer für meinen Etat, so dass ich mir nur unzulänglich einen Überblick verschaffen kann. Vor einigen Tagen habe ich mir ein gebrauchtes Buch für über zwanzig Euro gekauft; ich habe sehr lange gezögert: so ein teures Buch! - Dabei brauche ich es für die Recherche zu meinem neuen Roman.

Ich habe bislang vier Bücher veröffentlicht. Drei Gedichtbände, die sich jeweils in 150, 70 und 110 Exemplaren verkauft haben (und das ist die brutale Wirklichkeit). Ein Roman, der in einer Auflage von 3000 Stück gedruckt wurde, der aber nur 380 mal über den Ladentisch ging.
Ich habe gerade meinen dritten Roman abgeschlossen. Er ist einzigartig, das Beste, was ich je geschrieben habe. Er wird sich voraussichtlich kaum mehr als der erste verkaufen.
Mein zweiter Roman ist nie publiziert worden. Seinerzeit, vor rund drei Jahren, wurde er von einer Agentur mit der Begründung abgelehnt, er wäre zu gut geschrieben, das ließe sich schlecht vermarkten.
Für meine Gedichtbände interessiert sich kein Mensch. Die wenigen Leser könnte ich auch einmal im Jahr zu einer Party einladen und ihnen dann kopierte Manuskripte in die Hand drücken (mit Handkuss und besten Empfehlungen).
Ich bekomme keine Stipendien, geschweige denn Preise, obwohl ich mich seit fünfzehn Jahren auf fast alles bewerbe. Ich werde so gut wie nie zu Lesungen eingeladen, zu Festivals erst recht nicht, im Feuilleton kommt meine Arbeit nicht vor.
Verdient habe ich mit dem Schreiben in den letzten zehn Jahren – Lesungshonorare inbegriffen – keine 5000 Euro.
Ich bin jetzt 43 Jahre alt. Ich schreibe seit mehr als dreißig Jahren. Ich bin auf ganzer Linie gescheitert.
Das Leben als Dichter. Eine belegbare Tatsache!

(Aber immerhin kann ich mir noch Bananen und Orangen leisten. Vor hundert Jahren wäre das für einen armen Mann wie mich ein Ding der Unmöglichkeit gewesen).


Südfrüchte

In einer Gesellschaft von Gewinnern ist es der größtmögliche Protest, ein Verlierer zu sein.

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Sonntag, 19. Mai 2013

Seit zehn Tagen muss ich das Bett hüten, wie man in meiner Kindheit gesagt hätte. Ein zäher Infekt will nicht aus mir weichen, und ich schlurfe durch die unterwassergrüne Parterre-Wohnung von Sonnenstrahl zu Sonnenstrahl.
Gestern verbrachte ich den Nachmittag auf dem Sofa im Erker und schaute in den Regenhimmel, auf die feucht glänzenden Blätter der Linde vor dem Haus, auf den neusachlichen Wohnblock gegenüber.
Und schrieb irgendwann ein Gedicht, so wie ich zur Zeit fast immer meine Gedichte schreibe, aus dem Denken heraus, einem Denken, das von Büchern und Erinnerungen, auch von Stimmungen, gefüttert wird.
Ich versuche mich voranzudenken in der Dichtkunst, versuche meine Grenzen auszuloten, vorauszureiten, Avantgarde zu sein. Aber: was ist das? Unverständlichkeit? Geheimnis? Abgewandtheit?
Als ich in den 90er Jahre zum ersten Mal Gedichte Thomas Klings las, kamen sie mir ungemein, unfassbar kompliziert vor, teilweise undurchschaubar. Mittlerweile lese ich sogar Celan-Verse wie SPIEGEL online, gut verständliche Nachrichten aus einer nicht verständlichen Welt. (Nur mit Pound habe ich so meine bedeutenden Schwierigkeiten).
Dadurch kann ich meine eigenen Texte kaum einordnen. Ist das noch knapp in der Schnittmenge des Mainstreams, oder ist das schon das dunkelrote Segment?

In einem neuen Gedicht versuche ich mehrere Themen engzufuhren. Die Theorie der Schattenbiosphäre, die Theorie über die Entstehung des Lebens (also der ersten Zellen) in mikroskopischen Hohlräumen von Steinen, Reinkarnation, Utopia als Lichtort (wobei Utopia wörtlich ja Nichtort bedeutet), und die zyklopischen Tempel von Baalbek (dessen anderer Name Heliopolis war, Sonnenstadt, Lichtort). Das ganze angereichert mit weiteren Klang- und Bedeutungs-Verweisen. Ist das alles noch verständlich ohne Gebrauchsanweisung? Mir schon.


     Nah Baal-Bek
   
     Schattenbiosphäre, Lichtort
     Im Nichtort, Utopia der Geister
     schlägt sich das Empfinden von Tod
     nieder gehalten im Sekundenblatt
     aus Sphärenmusik und Chlorophyll
     Schattenbiosphäre, DNS-los und
     in den Steinkavernen unter der
     mütterlichen Erde aufkochend
   
     Halluzinationen das alles
     schon seit Sekunden, seit Äonen
     schlägt der Zeitstrahl auf und
     fächert sich entlang der Mauer
     des Hades, der Schattensphäre
     Halo um die Sonne im Tunnel
     Heliopolis nicht zu erreichen
     Nichtort, Lichtort, Schattenbahn



Darüber hinaus fange ich in letzter Zeit an, mich mit Photographie als Kunstform zu beschäftigen. Denn als Kunstform scheint sie mir fast ausgereizt, was mich anspornt. Wie kann man die Welt inszenieren, so dass sie auf Lichtbildern bemerkenswert erscheint? Soll man Photos narrativ gestalten, lyrisch, romantisch; oder gerät man dann in einen geradezu pornographischen Kitsch für des verständige Bürgertum? Analog? Digital? Suboptimal?

Gold und Geltung

Gürteltier

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Donnerstag, 16. Mai 2013

Als ganz junge Frau ist die Ingeborg Bachmann mal auf den Mond geflogen, mit einer selbst gebastelten Rakete. Die hatte sogar einen richtig langen Feuerstrahl hintendran und hat immer ganz doll Schrumm-Schrumm-Schrumm gemacht.
Auf den Mond geflogen ist die Ingeborg, weil es dort eine Arztpraxis gab, von Dr. Benn. Der hat sich Ingeborgs Füße angeschaut und gemeint, die komischen grünen Flecken zwischen den Zehen kämen vom vielen Im-Gras-Laufen.
Deshalb war die Ingeborg nämlich gekommen, wegen der komischen Flecken.
Als die Ingeborg wieder weg war, hat der Dr. Benn aus dem Fenster geschaut und ganz melancholisch die blau schimmernde Erde betrachtet. Und dann hat er ein kleines bisschen geweint. Der Dr. Benn war nämlich eine richtige Heulnase.
Eine belegbare Tatsache!


Die fleckige Inge

Der Mann im Mond

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Mittwoch, 15. Mai 2013

Robert Musil war ein ganz harter Hund. Das lässt sich ohne Weiteres belegen.
Musil konnte Kung-Fu und hat einmal Franz Kafka auf die Nase gehauen. Aber Kafka konnte Kendo und haute Musil so doll zurück, dass dem der Rücken noch Wochen später weh tat.
Doch Robert Musil jammerte kein bisschen und auch nicht für eine Sekunde. Musil war nämlich keine Heulnase, sondern ein ganz harter Hund.
Das alles geschah in Berlin. 16. Jänner 1924.
Eine belegbare Tatsache!

Kung-Fu-Robbie

Kendo-Franzl


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