Montag, 4. Juni 2012

(Früher Abend, graues Licht; nach einem langen Tag, blubbert jetzt in meinen Kopfhörern die wirklich spacige Platte "Song of the second moon", die von den Holländern Thomas Dissevelt und Kid Balton 1958 aufgenommen wurde. Völlig abgefahrene, elektronische Musik, ihrer Zeit um mindestens zwanzig Jahre voraus. Kaum zu glauben - und jederzeit auf You tube zu hören).

Gestern war ich auf der Lesung von Max und Johannes im Centrum Judaicum (in einem ziemlich nichtssagenden Gemeindesaal der Neuen Synagoge, der zudem noch auffallend schlecht ausgeleuchtet war, was meinen Photos nicht zugute kam).
Moderiert wurde der Abend von Asmus, und Felix Scheinberger zeichnete - unmittelbar von einem Beamer projeziert - Stadtansichten von Jerusalem und anderes.
Draußen fortwährender Regen, wie schon auf dem Hinweg, und auch später auf dem Weg in die Z-Bar - das Wetter bringt mich zur Verzweiflung, diese Klimaerwärmung, bei der man gezwungen ist, Anfang Juni Winterjacken anzuziehen.
Die Texte von Max und Johannes wie immer beeindruckend, und auch die neuen Gedichte von Asmus, der zum Schluss noch drei oder vier las, gefielen mir ausgesprochen gut.

In der Z-Bar dann, unter der blauen Leuchtreklame, Gespräch über Ost-West-Konflikte der jungen Generation. Tea, Max, Björn und ich sehr unterschiedlicher Meinung, die zwei jungen aus dem Osten (bei Tea war es mir ob des "übelst" klar, dass sie im Osten geboren sein musste, bei Max hat es mich überrascht) bestanden auf gebrochenen Biographien, den älteren Siegern (Björn und mir) fiel das nicht mehr so auf, dafür sind wir zu saturiert im ewigen Westen.

Wobei: der Westen ist ja auch 1989 untergegangen. Die BRD existiert heute genauso wenig wie die DDR. Westzone, Ostzone: Geschichte.
Wie allein der Stolz auf Bildung und Kultur durch den Sieg des Kapitalismus aufgerollt worden ist. Ich erinnere mich an die Zeiten des goldenen Westens (wenn auch der Osten bei Sonnenaufgang leuchtete), in der die Verlagslandschaft noch ein Märchenland war. Heyne brachte eine Lyrikreihe raus, deren einzelne Bände meistens eine Startauflage von 5000 Stück hatten (so hoch geht heutzutage nicht einmal Suhrkamp oder Hanser). Goldmann publizierte Klassiker (zum Bespiel eine nahezu umfassende Sammlung von Faust-Texten). Im Fernsehn kam Fernsehprogramm mit echten Filmen; wenn ich durch die TV-Seiten alter Spiegel-Hefte blättere, denke ich immer: das will ich sehen, das, und das da auch. Ach, und das noch.

Alles vernichtet nach der Wende (nicht nur DT 64 ist abgewickelt worden, nein, auch Radio 100). Nur noch große Trichter werden produziert, in die der Stumpfsinn und das Nichts des ganzen Weltalls eingegossen werden.

Sogar die gelbe Reclam-Universalbibliothek ist langweilig geworden. - Auf der Rückfahrt las ich in der S-Bahn in einer kleinen Reclam-Chronik. Da stand auch ein winziger Text von Thomas Mann drin. Ich hätte es vermeiden sollen, ihn zu lesen, mir ist natürlich wie immer speiübel geworden. Thomas Mann hat einen derart schlechten Stil, dass es mir unfassbar erscheint, wie er so bekannt werden, und vor allem bleiben konnte.
Thomas Mann ließ die Serviette vom Abendmahl selbst beim Schreiben im steifen Kragen hängen.

Und wie fremd mir die Ost-Reclam-Bände nach der Wende waren, als ich ihrer zum ersten Mal ansichtig wurde, auf Berliner Flohmärkten. Ich kaufe auch heute noch lieber die gelben aus Stuttgart. Westsozialisation.


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