Dienstag, 12. Juni 2012

Nachdem ich gestern Morgen die letzten Korrekturen am Manuskript der Georg-Heym-Anthologie angebracht hatte, schickte ich die Datei umgehend an den Verlag und wurde danach - wen wundert es - ohne Verzögerung krank. Und nun liege ich hier, mit einer kopfschweren Erkältung und kann mich auf kein Buch mehr konzentrieren, selbst der Spiegel oder die Morgenpost sind mir anstrengende Lektüre geworden. Ich hasse diese ewigen Erkältungen, die mich seit meiner Kindheit so eifrig verfolgen, und sicherlich vier- fünfmal im Jahr einholen.

Was ich allerdings mag: in viele Kissen gebettet sein, hingestreckt liegen mit geschlossenen Augen und halbgeschlossenen Rollläden, so dass nur noch wenig Licht über die herab gesenkten Lider huscht. Die zweiflügelige Balkontür steht geöffnet (um den Krankheitsgeruch zu vertreiben, den ich zwar, ob meiner geschwollenen Schleimhäute, nicht mehr riechen kann, den ich aber anderen nicht zumuten sollte)
. . . (Jetzt liege ich hier, mit Blick auf einen Bildband mit Römischer Kunst, auf den ich ein gefaltetes Papier gelegt habe, über das mein schwarzer Tintenstift kratzt, wie am Morgen Goethes Federkiel in dem gleichnamigen Film, der mir in halbem Fieber gut gefallen hat) . . . und ich lege mich wieder zurück, erinnere gleichzeitig, empfinde gleichzeitig. Sturm und Drang, Fieber und Wahn.
Es ist sehr angenehm, so im Halbschatten zu liegen und der Welt zu zuhören, dem Singen der Amseln, dem Zwitschern der Spatzen, dem Rauschen der entfernten Wagen am Grazer Damm, dem vorüber hallenden, nahen Dröhnen in der Straße, zu der sich hin die Balkontür öffnet.
Ab und an Satzfetzen einzelner Passanten-Paare, die mir unverständlich bleiben. Der Hall der Welt im Allgemeinen. (Und jetzt, wo ich dies am Schreibttisch abtippe, beginnt auch das Geläut der Kirche am Grazer Platz und macht mir diesen Nachmittag wieder zum Sonntag - dabei ist es nur das tägliche Abendläuten. Hat das eigentlich einen Namen, so wie das Angelusläuten zur Mittagszeit?)
Nunja, Hufgetrappel und Kutschenräderklappern wären mir lieber, durchmischt von Walzern Schuberts.

Dann fährt der Bus vorbei, wie alle zehn Minuten.
Und ich schaue auf die Bleistiftzeichnung die gegenüber meines Bettes hängt, eine Parklandschaft, gezeichnet 1865 von einem völlig unbekannten, heute namenslosen Künstler - in der linken unteren Ecke steht "Adolf Schmalzer" oder "Adolf Schwarzer". Das Blatt ist geknickt, die Ränder ausgefranst, aber ich liebe diese Arbeit, das Schlichte, unpompöse; ich hätte gerne noch andere Arbeiten des Zeichners. Aber mir ist ja der Name nicht geläufig, und dem Internet auch nicht.
Verblasst all sein Ruhm, wenn er denn jemals welchen hatte. (Aber ich gehe davon aus, denn die Zeichnung ist keine Laienarbeit, vielmehr ziemlich modern für das Jahr 1865). Ein letztes Blatt von tausend Stück.

Adolf Schmalzer (?), Parklandschaft, 1865

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