Samstag, 7. April 2012

Freitag, 6. April 2012

Auf der Autofahrt nach Westdeutschland, mitten in Sachsen-Anhalt (dem Land der Frühaufsteher, wie es auf einem Autobahnschild heißt), schaue ich in den Wald am Wegesrand. Ein Zehntel der Kiefern ist umgeknickt (Zahnstocher Gottes), es muss unlängst ein Sturm gewütet haben.
Kiefern, auch Fichten vermutlich, ein paar Birken: so sieht der Wald in fast ganz Deutschland aus (ehemals Land der Sümpfe und der endlosen, unzugänglichen Wälder; schon Tacitus wusste davon zu berichten, sofern seine Beschreibung von Germania keine Fälschung der Renaissance ist).
Die Natur ist nicht mehr existent in diesem Land, nur noch Fichtenschonungen, begradigte Flüsse, trocken gelegte Auen. Nur der Blick nach oben zeigt einem Natur; das Blau lässt sich nicht verwerten. Ansonsten ausgewalzte Vorstadtstrukturen, unsäglich hässliche Windräder, Industrieparks (was für ein Zynismus), Überlandleitungen.
Ich weiß, wir haben diese Klage alle schon zig Mal gelesen, aber wenn ich am zwanzigsten Mediamarkt vorbei fahre, an der hundertsten Kiefernschonung, am tausendsten McDrive, dann hab ich so Sehnsucht nach echten Wäldern, aus Eichen, Buchen und Ebereschen. Aus Lärchen, Tannen und Eiben. Mit Unterholz, Moos überwachsenen Böschungen, Hohlwegen, Lichtungen mit Auerochsen, Wölfen hinter Wildwuchs, Luchse in den Astgabeln.
Und dann mit dem gelb lackierten Postwagen nach Weimar, den Herrn Geheimrath besuchen. Schubert sitzt neben mir im Coupé und reicht mir seine Taschenflasche mit Cognac. Die Räder rattern über Stock und über Steine (aber Pferdchen brich dir nicht die Beine). Der Kutscher lässt die Zügel. Die Damen in den Damastkleidern schauen von ihren zierlichen Taschenbüchern auf und lächeln uns an. Draußen, über den Wipfeln des dunklen Tanns schwebt ein Steinadler und schreit.

Stattdessen: Mercedes A-Klasse (von 1999), Beethoven-Sonaten im Tapedeck, und draußen noch eine Kiefernschonung. Und Windräder, viele Windräder. - Die größte Verheerung der deutschen Landschaft seit dem 30jährigen Krieg, wie Botho Strauß einmal sagte. Damals in der Uckermark. Damals hinter dem Zeitgraben.


Datei:Grib skov.jpg
Photo: Malene Thyssen

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