Mittwoch, 4. April 2012

Mittwoch, 4. April 2012


Den ganzen Abend The Beatles gehört. Sowohl ihre frühen Platten, als auch Let it be und Magical Mystery Tour. Gute Musik, verblüffend wenig eingestaubt. Und die Wildlederjacken, die die Jungs schon 1963 trugen, die pure Avantgarde.
Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen (und mit Django Reinhardt, Edith Piaf, Gisela May, Elvis, Gene Krupa), habe mit sechs oder sieben Jahren zu Lucy in the sky with diamonds getanzt. Und zu Tomorow never knows – dieses Lied aus der Zwischenwelt, das ich schon als Kind großartig fand. Das Gezwitscher der künstlichen Möwen.
Mit Zwölf fing ich dann an zu Scratchen, mit der Revolver-Platte; es war die Zeit von Grandmaster Flash (dessen Scheiben ich mir noch nicht leisten konnte) und von Breakdance. (O ja, ich machte den Smurf und den Robot auf der Kaiserstraße in Karlsruhe, ich hatte weiße Karottenhosen an, und einen weißen Borsalino auf dem Schädel, und ich fühlte mich GUT).
Ich ruinierte also die Beatles-Platten meines großen Bruders, und ich war glücklich. Das war die Zeit, in der ich die ersten Sachen schrieb. Ich war also gerade Zwölf geworden und arbeitete an meinem ersten Roman – 64 handgeschriebene Seiten in einem blauen Din-A-5-Schulheft. Der Titel: Chris Colman, Universität des Grauens!
In knapp zwei Monaten runter gerotzt. Ich tippe dieses Jugendwerk justamente in die Tastatur meines Notebooks, weil ich das ganze ausdrucken, kopiere, heften und verschenken will, um mein dreißigjähriges Jubiläum zu feiern, das nächsten Monat ansteht. Dreißig Jahre Literatur, und schuld ist Jason Dark, der Vater der Groschenroman-Reihe John Sinclair. Ich las die mit zunehmenden Fanatismus als ich zehn, elf Jahre alt war. Und mit Zwölf dachte ich: Voß, das kannst du auch! Und ich schrieb vier Chris-Colman-Romane, bevor ich mit schlechten Gedichten begann.
Vor gut zehn Jahren las ich auf einer Lauter-Niemand-Veranstaltung aus dem Manuskript. Und ich kam vor Lachen kaum über die ersten Zeilen hinaus. Wie niedlich war dieser Text, so unbedarft, auch ein wenig unbeholfen, so herzallerliebst. Mit Zombies und Ghouls auf dem Klo, und mit einem schwarzen Hexer namens Diabolis, der nichtsdestotrotz einen orangefarbenen Overall trug und ein Schwert in der Hand führte, dass mit dem Blut des Erzengels Michael gefüllt war. Niedlich.


Später dann ernsthafte Texte, surreale Gedichtzyklen, spät-avantgardistische Prosafragmente, Beckett-gesättigte Theaterstücke. Und immer dieser Größenwahn, und immer diese Erfolglosigkeit. Aber immer weiter.
Ich nahm mir irgendwann vor, ich würde Wirt werden, hätte ich nicht bis zum 35sten Geburtstag ein Buch publiziert. Glücklicherweise kam mein erster Gedichtband einen Monat vor dem Stichtag in die Geschäfte. Naja, nicht gerade in die Geschäfte, aber er wurde gedruckt und hatte eine ISBN.
Angefixt war ich zwar schon zuvor, aber ab diesem Zeitpunkt war ich für die natürliche Welt verloren. Vielen Dank, Jason Dark!

Abschlussball – drei Klassen des Studienfachs “Archäologie und Geschichte” jubelten.
Die Abschlussfeier wurde in Gestalt einer Disco gefeiert, doch was keiner ahnte: Das Grauen war da, eine Flut von Zombies und Ghouls feierten das Fest mit, aber nach ihrem Geschmack. Und dann kam der Anführer der Armee des Schreckens: Diabolis, der schwarze Hexer! Er war genauso teuflisch wie sein Name. Und als dann noch sein Bruder Nagaso auftauchte, war das Chaos perfekt. Für die Studenten aber wurde es zum einzigartigen Alptraum!“

(Was für ein Anreißer!)

Untote im Literaturhaus


Zu schade, dass man nicht alles festhalten kann, was durch den Kopf schwebt. Es wurde Tage kosten, allein eine halbe Stunde Denken zu dokumentieren, ach was, es würde Jahre brauchen, und heraus kommen würde der letzte Teil der Irrfahrt von James Joyce. Und das will ich ja gar nicht, trotzdem schade. So viele wertvolle Gedanken im Schädel, und alle nur Rauch, nicht mal Schall. Vielleicht überfluten sie mich wieder, im Moment meines Todes. Aber wenn ich mir den Sterbemoment meines Vaters in Erinnerung rufe, bezweifle ich das.
Beim nächsten Wald-und-Wiesen-Stipendium lasse ich die Natur vor der Tür und berichte online nur noch von meinem Inneren. Aber: interessiert das irgendwen... außer mich. – Das reicht.
Eigentlich eine schöne Vorstellung: nicht zu leben, sondern nur die Gedanken darzustellen, die man hat, während man am Leben nicht teil nimmt. – Aber kommt in erster Linie nicht nur solches Rumgedenke dabei raus, wie es sich jetzt hier die letzten Zeilen entwickelt hat? Abfall für alle?
Ich lese zur Zeit Goetz´ Online-Tagewerk, jetzt verpackt zwischen zwei Suhrkamp-Buchdeckeln, weil Sabine Scho immer so mit mir schimpft, dass ich so über Goetz schimpfe. Gut, Loslabern habe ich schon hinter mich gebracht (langweilig), jetzt also Abfall für alle. Nicht mehr in diesem Leben, Baby, befürchte ich, stattdessen lieber noch ein Buch von Krausser. Goetz hat mir einfach zu wenig zu sagen. Und sein Stil: öde. ADHS allein hilft nicht weiter. Oberfläche auch nicht.
(Schlagt mich. Jetzt.)

Sollte ich auch mal nach Klagenfurt eingeladen werden, schlitze ich mir nicht die Stirn auf, sondern ich klebe mir ein Kinderpflaster drauf. Ein bisschen Kunstblut, dass unter den himmelblauen Bärchen hervor quillt, und schon bin ich ein Star. Ein Knallstern.

(Ich wollte auch immer so ein Reiter sein).

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