Freitag, 20. April 2012

Auf allen Blogs und Facebookstreams kocht eine Diskussion über die Verleihung des Ringelnatz-Preises an Nora Gomringer hoch, und ob das Hinterherwerfen von Preisen in nicht abbrechender Folge eine gerechte Sache sei, oder ob es vielmehr ein deutliches Licht auf die Literatur-Juroren des Landes wirft, und ob dieses Licht eine kleine und dunkle Ecke ausleuchtet, in der ein verleugnetes Mini-Monster namens Feigheit zittert. Feigheit? Ja, die Feigheit keine eigenen Entscheidungen zu treffen, stattdessen nur die DichterInnen zu prämieren, die bereits von unzähligen Jury- und Institutions-Mitgliedern für prämierbar gehalten wurden. Ein altbekanntes Phänomen, das sicher nicht an die Slammerin Gomringer gebunden ist.

Ich persönlich gönne ihr jeden Preis, sie kann ja nichts für die Verunsicherung einzelner Juroren, doch diesen einen Preis, eben den nach Ringelnatz benannten, hat sie meiner Meinung nach zu Unrecht erhalten, weil das Gedicht, das von der Jury besonders hervor gehoben wurde ("Und es war ein Tag"), eine ziemlich deutliche Entgleisung ist. Der Text thematisiert eine Fahrt im Viehwaggon, eine Fahrt die in Auschwitz enden wird (und das ist unguterweise auch noch die Schluss"pointe" des Gedichts, das gedehnt gelesene Wort "Auschwitz"). Und diese Fahrt wird beschrieben mit einem geradezu ranschmeißerischen Gestus, den ich nur als den Gestus der Autorin verstehen kann. Als würde sie über der Szene schweben und berichten, Zeugnis ablegen. Das ganze auch noch in einem leicht alttestamentarischen, raunenden Ton, der mir die Galle hat hochkommen lassen.

Und ich scheine nicht der Einzige gewesen zu sein, denn auf allen Kanälen (auch auf denen im Hintergrund der E-mail-Postfächer) wird seitdem getippt und disputiert. (Am Intensivsten in der Kommentarebene der Lyrikzeitung.com).

Allerdings nicht unter Beteiligung Anton G. Leitners, der sich aber offenbar dort ein bisschen Gewürzbrühe für sein eigenes Süppchen gesogen, und der fix seine Vorschläge in der Presse (unter anderem im Züricher Tagesanzeiger und im Berliner Tagesspiegel) lanciert hat, unter Berufung auf die Literaturszene.
Besonders schäbig ist, dass er Lyriker nennt, die er nicht für preiswürdig hält, weil sie ihm zu wenig durchschaubar und zu sehr akademisch schreiben. Das kommt dem einfachen Herrn Leitner unter anderem bei Ron Winkler so vor, der zum einen fern des akademischen Schreibens, und der zum anderen - meinem Eindruck nach - eine der maßgeblichen Stimmen unserer Generation ist. Desweiteren versteht Herr Leitner Ulrike Sandig und Daniela Seel nicht. Und schlägt implizit vor, solchen DichterInnen keine Preise mehr zu verleihen. Das alles, wie gesagt, unter Berufung auf die Literaturszene.
Ich sage es deutlich: auf mich darf Leitner sich nicht beziehen, ich stimme ihm nicht zu, in keinem Punkt (ausser in eben dem einen, dass die Jurys in Deutschland ihre Preise immer in die gleiche Richtung werfen). Und ich will unter keinen Umständen, so wie von Leitner vorgeschlagen, dass Lyrikpreise an Herausgeber, Lyrikvermittler und Lyrikveranstalter vergeben werden.
Dann schon lieber alle, alle an Nora Gomringer.


Zur Preisverleihung an Nora Gomringer: Link

Zu (u.a.) Anton G. Leitners Einlassungen: Link

Diskussion zur Preisverleihung: Link

Diskussion zur Leitners Einlassungen Link

Das Gedicht "Und es war ein Tag", gelesen von der Autorin: Link

.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen