Freitag, 18. Januar 2013

Ich habe mich ja immer als ein Lyriker begriffen, der auch Prosa schreibt.
Nur schreibe ich seit Langem kaum noch Poetry (dafür einen Roman nach dem anderen). Ein paar Reisegedichte, die minderer Qualität sind, obwohl ich sie oft überarbeitet habe, was sonst nicht meine Vorgehensweise ist (und die ich deshalb bislang nicht publizieren wollte), ein paar einzelne Strophen in (meinem) alten Stil.
Letztlich sind mir seit 2008 nur drei lange Zyklen geglückt, mit denen ich dachte eine neue, für mich revolutionäre Phase einzuleiten; aber nun schaut es so aus, als wäre ich mit diesen paar Texten am Ende meines Lateins angekommen (Hink @ Nunk). Ein letztes Aufblähen vor dem Zusammensacken. Pfffffff... .. .

Seitdem warte ich auf einen neuen Zugang zum lyrischen Schreiben, und im Wartesaal, in meiner verrauchten Kammer, erstelle ich dreihunderttausend Zeichen Prosa pro Jahr. Merkwürdig genug, aber in diesem Genre fällt es mir leidlich leicht, neue Formen aus mir herauszustanzen.

Ich könnte natürlich auf hohem Niveau meinen Gedichtstil weiterführen, Buch um Buch heraus hauen; vermutlich würde ich sogar erfolgreicher sein damit, denn das Publikum liebt den konsistenten Stil, das wiedererkennbare Gleiche; das Publikum liebt Durs Grünbein (Meine Güte, was war das für ein großer Dichter... vor zwanzig Jahren). Doch mir macht so was keinen Sinn. (Immer diese schwer goutierbare Ironie, die sich in Front des Publikums störrisch ins Sprechen einnistet).

Aber wohin könnte ich schlappen, schleichen, schlendern, welche Poetologie ist nicht verbraucht, aufgebraucht, weggeschlürft? Selbst die Gedichte Thomas Klings wirken auf mich mittlerweile wie eine altbackene Hochzeitstorte. Kling, der verspätete Heidebewohner, der Bargfelder ehrenhalber.
Stattdessen, je älter ich werde, langt mich der späte Celan an. Aber diesen Schild kann ich nicht tragen, dafür sind meine Flossen zu linkshändig.
Was also tun? (Auch Väterchen Frost, mit seinem Spitzbart von 1923, hat keine Antwort zu bieten). Weiter in den Eingeweiden bohren (Hoppla, da ist es ja schon, das schwarze, poetische Katzengold)? Bäumen und Nachbarn neue Namen geben? Mimimi-cri in der Hülle (Hölle) legendärer, sagenhafter Dichter treiben?
Meinen nächsten Gedichtband mit dem Satz „Hundert Jahre nach Morgue die neueste Sensation“ bewerben? Zurück in die Zukunft?
Ernst gesprochen: alles ist zertrümmert und wieder aufgerichtet worden. Dieser Tage werden von den Kollegen erneut Oden geschrieben, oder Wortlisten geschickt hochgezurrt, bis so oder so die poetische Visage ganz gebotoxt ausschaut. Was habe ich damit zu schaffen? - Meine Gedichte sind müde.

Zur Hölle mit dem Publikum, ich muss nachdenken.
(Und ansonsten: die nächsten 15.000 Zeichen Wermut. Und im Herbst werden die drei Zyklen erscheinen, man möge mir verzeihen (und mit schweren Eisenhämmern...). Titel: In Flip-Flops nach Armageddon).

*

Immerhin: wenn ich schon keine Gedichte mehr schreibe, lesen tue ich sie nichtsdestotrotz (Trotz. Trotz. Trotz. Wie die Worte entschwinden). Mehr als in den letzten Jahren, in denen ich Romane gefressen habe, was ich wiederum in der Zeit zuvor vernachlässigte.
Und was kommt mir da vor das Auge? Solche verwickelten, auf- und angeleinten, großartigen Verse (Da sind Böden drin, bis ins vierte Kellergeschoss, bis ins dritte Parkdeck):

     Ich Chi
     von Beruf CIH
     Central Intelligence Hometrainer, ich
     fange jeden Morgen. Damit an
     meine Wäschehänge über Breitenweg
     zwischen Battery Park und Metlife an der Zimmerlinde
     vor den Dargebot´nen Fenstern festzubeamen
     bis ich klammerheimlich Chip nach Chip
     an den Scheide-, Schneide-, Schneidertisch gerufen werde [...]

(Wolfram Malte Fues)

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