Ich habe mich ja
immer als ein Lyriker begriffen, der auch Prosa schreibt.
Nur schreibe ich
seit Langem kaum noch Poetry (dafür einen Roman nach dem
anderen). Ein paar Reisegedichte, die minderer Qualität sind, obwohl
ich sie oft überarbeitet habe, was sonst nicht meine Vorgehensweise
ist (und die ich deshalb bislang nicht publizieren wollte), ein paar
einzelne Strophen in (meinem) alten Stil.
Letztlich sind mir
seit 2008 nur drei lange Zyklen geglückt, mit denen ich dachte eine
neue, für mich revolutionäre Phase einzuleiten; aber nun schaut es
so aus, als wäre ich mit diesen paar Texten am Ende meines Lateins
angekommen (Hink @ Nunk). Ein letztes Aufblähen vor dem
Zusammensacken. Pfffffff... .. .
Seitdem warte ich
auf einen neuen Zugang zum lyrischen Schreiben, und im Wartesaal, in
meiner verrauchten Kammer, erstelle ich dreihunderttausend Zeichen
Prosa pro Jahr. Merkwürdig genug, aber in diesem Genre fällt es mir
leidlich leicht, neue Formen aus mir herauszustanzen.
Ich könnte
natürlich auf hohem Niveau meinen Gedichtstil weiterführen, Buch um
Buch heraus hauen; vermutlich würde ich sogar erfolgreicher sein
damit, denn das Publikum liebt den konsistenten Stil, das
wiedererkennbare Gleiche; das Publikum liebt Durs Grünbein (Meine
Güte, was war das für ein großer Dichter... vor zwanzig Jahren).
Doch mir macht so was keinen Sinn. (Immer diese schwer goutierbare
Ironie, die sich in Front des Publikums störrisch ins Sprechen
einnistet).
Aber wohin könnte
ich schlappen, schleichen, schlendern, welche Poetologie ist nicht
verbraucht, aufgebraucht, weggeschlürft? Selbst die Gedichte Thomas
Klings wirken auf mich mittlerweile wie eine altbackene
Hochzeitstorte. Kling, der verspätete Heidebewohner, der Bargfelder
ehrenhalber.
Stattdessen, je
älter ich werde, langt mich der späte Celan an. Aber diesen Schild
kann ich nicht tragen, dafür sind meine Flossen zu linkshändig.
Was also tun? (Auch
Väterchen Frost, mit seinem Spitzbart von 1923, hat keine Antwort zu
bieten). Weiter in den Eingeweiden bohren (Hoppla, da ist es ja
schon, das schwarze, poetische Katzengold)? Bäumen und Nachbarn neue
Namen geben? Mimimi-cri in der Hülle (Hölle) legendärer,
sagenhafter Dichter treiben?
Meinen nächsten
Gedichtband mit dem Satz „Hundert Jahre nach Morgue die
neueste Sensation“ bewerben? Zurück in die Zukunft?
Ernst gesprochen:
alles ist zertrümmert und wieder aufgerichtet worden. Dieser Tage
werden von den Kollegen erneut Oden geschrieben, oder Wortlisten
geschickt hochgezurrt, bis so oder so die poetische Visage ganz
gebotoxt ausschaut. Was habe ich damit zu schaffen? - Meine Gedichte
sind müde.
Zur Hölle mit dem
Publikum, ich muss nachdenken.
(Und ansonsten: die
nächsten 15.000 Zeichen Wermut. Und im Herbst werden die drei
Zyklen erscheinen, man möge mir verzeihen (und mit schweren
Eisenhämmern...). Titel: In
Flip-Flops nach Armageddon).
*
Immerhin: wenn ich
schon keine Gedichte mehr schreibe, lesen tue ich sie
nichtsdestotrotz (Trotz. Trotz. Trotz. Wie die Worte entschwinden).
Mehr als in den letzten Jahren, in denen ich Romane gefressen habe,
was ich wiederum in der Zeit zuvor vernachlässigte.
Und was kommt mir
da vor das Auge? Solche verwickelten, auf- und angeleinten,
großartigen Verse (Da sind Böden drin, bis ins vierte
Kellergeschoss, bis ins dritte Parkdeck):
Ich Chi
von Beruf CIH
Central
Intelligence Hometrainer, ich
fange jeden
Morgen. Damit an
meine
Wäschehänge über Breitenweg
zwischen
Battery Park und Metlife an der Zimmerlinde
vor den
Dargebot´nen Fenstern festzubeamen
bis ich
klammerheimlich Chip nach Chip
an den
Scheide-, Schneide-, Schneidertisch gerufen werde [...]
(Wolfram Malte
Fues)
.
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