Ein Leben ist nicht
genug! Das ist viel zu wenig Zeit!
Ich würde so gerne
nicht nur ein Schriftsteller sein (ein guter), sondern auch ein
Maler, ein Komponist, vielleicht ein Schauspieler.
Es ist nun rund
zehn Jahre her, seit ich das Malen aufgab. Zwar nicht von einem Tag
auf den anderen, aber als ich 2002 beschloss, dass ich nicht gut
genug werde könne, um ein wirklich bedeutender Bildender Künstler
zu sein, habe ich weniger und immer weniger gemalt, bis schließlich
dieser Nebenarm meines großen, großen Geistesflusses austrocknete.
In den letzten
Jahren habe ich es ab und an noch einmal versucht, habe Papier und
Bleistifte, Aquarellfarben, Kohlestummel in die Hand genommen, aber
es wurde immer nur: Mist.
Ich hätte nicht
gedacht, dass man so eine Fertigkeit völlig verlernen kann, ins
Besondere, weil ich in den 90er Jahren kaum etwas anderes gemacht
habe, nahezu jeden Abend an der Staffelei stand; aber nichts ist
übrig geblieben, meine Zeichnungen sehen nunmehr aus wie von einem
Dilletanten hingekritzelt, von einem untalentierten.
Dabei habe ich die
Arbeit an der Staffelei immer mehr geliebt, als die an der
Schreibmaschine (mittlerweile am Notebook). Das völlige Aufgehen in
der Arbeit, der Tanz vor der Leinwand, der Tanz auf der Leinwand. Der
Flow fließt zwar auch beim Schreiben, aber dieses totale
Außersichsein, ist lang nicht so forciert.
Dummerweise hatte
ich seinerzeit einfach festgestellt (nach einem freundlichen Hinweis
der Künstlerin Brigitte Waldach, die charmant aber gnadenlos sein
konnte), dass ich der bessere Schriftsteller wäre, wenn ich mich
denn ins Zeug legen würde; und nach dieser Erkenntnis musste ich
mich natürlich richten. Und natürlich war es auch eine gute
Entscheidung, wenn ich mir jetzt so anschaue, zu was ich fähig bin.
Aber es bleibt eine Melancholie.
Also, wieso ist mir
nicht mehr als ein Leben gegeben? Das nächste würde ich von
Kindheit an der Malerei widmen – denn einer der Fallstricke war
mein mangelnder Fleiß in den 80er und 90er Jahren. Ich habe mich
lieber ins Leben gestürzt. Das ist natürlich gut für die
Dichtkunst gewesen, für die Bildende Kunst war es das nur bedingt.
Und in einem
weiteren Leben würde ich ein halbes Dutzend Instrumente erlernen und
wilde Stücke komponieren. Mikrotonale Wirbelstürme für vierzehn
Streicher. Suiten für Wind, Bläser und Duschkopf. Fugen für Fön,
Donner und Cembalo.
Ach, ein einziges
Leben ist einfach nicht genug. Wieso haben meine Eltern mich nicht in
die Musikschule geschickt und mich gequält, bis ich ein Instrument
konnte? - Warte mal, die haben mich in eine Musikschule geschickt und
gequält, nur leider nicht mit Klavier oder Geige, sondern mit
Klangstäben. Orffsche Musiklehre – verlorene Hoffnung!
Die einzige
Kunstform, die mir jetzt noch offen steht, in Zeiten, wo meine Haare
in Panik zurück weichen, ist die Photographie. Die Technik ist
schnell zu erlernen, der Rest ist Bildausschnitt, der richtige Moment
und eine eigene Ästhetik. Das sollte kein Problem werden. Lasst mich
knipsen, dafür braucht es vielleicht ein Viertel Leben (oder darf es
etwas mehr sein?)...
Florian Voß nach Beendigung
seiner Suite „Eis auf dem Alexanderplatz“
für drei
Cembali, Dampframme und U-Bahn-Räder
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