Was ich mich immer gefragt habe: wieso
weinen Kinder mehr als Erwachsene?
Ein Kind weint bei den verschiedensten
Gelegenheiten, schämt sich nicht seiner Thränen, läßt sich von
Schmerz, Trauer, Unlust, Zorn, von Neid, von Enttäuschung zum Weinen
bringen.
Plötzlich aber, mit der sogenannten
Pubertät, versiegen die Tränen fast ohne Übergang. Nun könnte man
sagen, das sei eine Frage der Erziehung, aber wenn ich mich zurück
erinnere, kann ich das nicht als Wahrheit erkennen. Vielmehr machte
sich eine andere Art von Bewusstsein in meinem Selbst breit, das eben
nicht mehr zu allen Anlässen weinte, das seither nur bei den großen
Lebenskatastrophen verleitet war, Tränen zu vergießen. Und es
scheint mir, als wäre das bei den anderen Menschen in meiner Welt
nicht anders.
Ist das ein modernes Phänomen? Oder
hat sich wenig geändert über die Jahrhunderte? Es schaut so aus,
als würde es keinen Unterschied machen. Es weinen nur die Kinder.
Und das ist ja auch eine gute Eigenschaft, denn das Weinen reinigt,
zieht die Schleier des Zorns, des Neids, des Schmerzens beiseite.
Wieso also vergießt der ausgewachsene
Mensch nur noch so wenig Tränen?
Ich kann mir keinen Reim darauf machen,
nur dass dieser Bruch das größte Mysterium des Erwachsen werdens
ist, daran besteht für mich kein Zweifel.
Wie oft habe ich als Kind geweint, auf
der Kante meines Bettes sitzend, wie selten weine ich noch im
Angesicht der Berge von Leid, die sich seitdem vor mir aufgetürmt
haben.
Aber vielleicht ist die Antwort ganz
einfach: ein Kind braucht Schutz, und nichts bringt die Erwachsenen
mehr dazu ein Kind in Schutz vor all dem Leid zu nehmen, als eben das
Weinen dieses Kindes. Als Erwachsener steht man dann alleine. Weinen
ist nicht mehr nötig. Denn Schutz gibt es nicht mehr. Hinaus
geworfen in das Leben, mit trockenen Augen, zurück gelassen in der
Welt.
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