Samstag, 29. September 2012

Was ich mich immer gefragt habe: wieso weinen Kinder mehr als Erwachsene?
Ein Kind weint bei den verschiedensten Gelegenheiten, schämt sich nicht seiner Thränen, läßt sich von Schmerz, Trauer, Unlust, Zorn, von Neid, von Enttäuschung zum Weinen bringen.
Plötzlich aber, mit der sogenannten Pubertät, versiegen die Tränen fast ohne Übergang. Nun könnte man sagen, das sei eine Frage der Erziehung, aber wenn ich mich zurück erinnere, kann ich das nicht als Wahrheit erkennen. Vielmehr machte sich eine andere Art von Bewusstsein in meinem Selbst breit, das eben nicht mehr zu allen Anlässen weinte, das seither nur bei den großen Lebenskatastrophen verleitet war, Tränen zu vergießen. Und es scheint mir, als wäre das bei den anderen Menschen in meiner Welt nicht anders.
Ist das ein modernes Phänomen? Oder hat sich wenig geändert über die Jahrhunderte? Es schaut so aus, als würde es keinen Unterschied machen. Es weinen nur die Kinder. Und das ist ja auch eine gute Eigenschaft, denn das Weinen reinigt, zieht die Schleier des Zorns, des Neids, des Schmerzens beiseite.
Wieso also vergießt der ausgewachsene Mensch nur noch so wenig Tränen?
Ich kann mir keinen Reim darauf machen, nur dass dieser Bruch das größte Mysterium des Erwachsen werdens ist, daran besteht für mich kein Zweifel.

Wie oft habe ich als Kind geweint, auf der Kante meines Bettes sitzend, wie selten weine ich noch im Angesicht der Berge von Leid, die sich seitdem vor mir aufgetürmt haben.
Aber vielleicht ist die Antwort ganz einfach: ein Kind braucht Schutz, und nichts bringt die Erwachsenen mehr dazu ein Kind in Schutz vor all dem Leid zu nehmen, als eben das Weinen dieses Kindes. Als Erwachsener steht man dann alleine. Weinen ist nicht mehr nötig. Denn Schutz gibt es nicht mehr. Hinaus geworfen in das Leben, mit trockenen Augen, zurück gelassen in der Welt.

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