Samstag, 27. Juli 2013

Elektronenhirn I

Was hätte ich gegeben für einen Sinclair ZX 81, für einen Commodore 64 oder einen Atari mit zehn Kassetten. Doch nicht mal eine Schreibmaschine tackerte ihren Code von Anschlag und Stille in unserer winzig kleinen Wohnung in einem 500 Jahre alten Haus.

Ich drücke mein Ohr an den Sony Vaio VGN und lausche nach dem Klicken der Insektenbeine auf dem Weg von Null zu Eins. Diese Marke hat einen wohlgeformten Klang, seit ich mir in später Kindheit die Earphones eines Walkman TPS-L2 über den Schädel stülpte.

Die Bruderschaft von Psion war unerreichbar, die Mitgliedschaft war viel zu kostspielig. Die frühen Multi-Tasking-Fenster kannte ich nur aus den Schaufenstern von Hertie. Ebenso diesen einen Schachcomputer, silbern, mit dem Greifarm eines Roboters. Er konnte schneller denken als mein Vater, er konnte schneller ziehen als meine Mutter. Er war so ganz und gar nur Null und Eins.




Bei Joe Enderlein gab es Telespiele, drei Konsolen auf dem Altar vor dem Fernsehgerät. Wir steuerten das Raumschiff Zaxxon von Colecovision, hangelten über die tiefen Gruben von Intellivisions Pitfall, versorgten E.T. mit kleinen Keksen, grobgepixelten Atari-Keksen. Und tranken Blue Curacao. Und blätterten in Playboy-Heften, oder klappten mit stillen Gesichtern die Folder in der Penthouse auf.




Die Datenkassette rotierte in der Datasette, und zehn Minuten später war das Turbo-Tape durchgelaufen und der C64 bereit für ein Programm, das dann nur noch eine viertel Stunde laden würde.
Schließlich auf dem Bildschirm: Pacman. Wer hätte je geahnt, dass man dieses Mondgesicht noch dreißig Jahre später sehen würde, in staubigen Reklamen für ein mäßig spaßiges Altersheim?

Als ich noch ein kleines Kind war, hatte mein Großvater einen riesenhaft großen IBM unter einem Staubfang stehen; in seinem Arbeitszimmer ruhte die Kiste ohne Bildschirm und ohne eine Regung. Und niemals dürfte ich sie berühren. Ebensowenig die Canon-Schreibmaschine, die einen Ein-Zeilen-Display hatte und eine Verschalung aus rotem Plastik.
Ich schrieb schon Gedichte; ich war Zwölf und wollte auch so eine Maschine besitzen, so einen futuristischen Traum von Dichtkunst. Ich hätte viel modernere Gedichte geschrieben, hätte ich so eine Canon S-50 besessen. Ich wäre ein Rimbaud des Computer-Zeitalters geworden, hätte ein Elektronenhirn gehabt.

Vor einigen Monaten habe ich mir die Canon-Schreibmaschine bei ebay ersteigert, für acht Euro. Aber mir fehlt das Thermopapier, mir fehlt das Netzteil, mir fehlen die Gedichte, die ich mit Dreizehn geschrieben hätte.



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3 Kommentare:

  1. wie drückt man es am besten aus? s.g text, genau richtige fotobelegung, von autenthisch(ich weiß) bis von nostalgie zu ironie hinreißend ...
    und gut gesetzt!

    Uns Kl.ef

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  2. die canon in rot ist ja wunderschön. ich hatte die gleiche in schwarz und damals wirklich viele gedichte und prosa drauf geschrieben. viele jahre später habe ich sie umzugsbedingt weggegeben, samt netzteil. das netzteil ist aber nicht das problem, einfach ein 6V netzteil mit passendem anschluss nehmen oder weiter ausschau in eBay halten, und thermopapier gibt es auch immer noch zu kaufen.

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