Mittwoch, 22. August 2012

Seltsam, dass das Leben im mittleren Alter so gleichförmig wird. Besonders wenn die Zeit nicht schneller vergeht, mit ablaufenden Jahren, so wie sie es alle immer berichtet haben.
Stattdessen ist meine Erinnerung ein gleichförmig blubbernder Fluss ohne Stromschnellen. Das liegt an meinem Gehirn, an der Verschaltung, die mir vererbt wurde von den Jägern und Sammlern, deren genetische Reste sich in meinem Selbst, meiner ADHS-Steuereinheit, versammelt haben (am Lagerfeuer, der blitzenden Synapsen meiner Großhirnrinde).

Demletzt haben DIE FORSCHER (so Kittel tragende Eierköpfe mit schwerem deutschen Akzent... there is an alien on your roof, I have to warn you) heraus gefunden, dass bei ADHS-Schlümpfen, bei den ganz Kleinen also, die Zeit anders verläuft, sich gleichförmiger ausdehnt, als bei den anderen Kindern im großen Kindergarten unter Gottes weitem Himmel.

Mir ist das nichts Neues. Schon immer lief mein Film mit der gleichen Bildanzahl, kein Zeitraffer setzte ein, mit zunehmenden Alter.
Aber leider werden auch die langweiligen Phasen im Rückblick nicht zum Schrumpfen gebracht. Andererseits erfahre ich so das Satori an jedem späten Sommernachmittag, den Zustand also, nach dem die Vormittagsmenschen immer noch Ausschau halten.

Trotzdem: diese Gleichförmigkeit ist gewöhnungsbedürftig. Ich lebe seit vier Jahren, seit Jahrhunderten also, in ein und derselben Straße, sitze in der selben Kammer (mit Blick in den selben, immer und fortwährend dunklen Garten) und schreibe Papier voll (virtuell).
Vor gerade mal sieben Jahren ist mein erstes Buch publiziert worden, und ich fühle mich, als wäre dieser Anfang meines Werks kanonisiert, abgehakt und ausgebuht... vor langer, langer Zeit.

Und all die toten Geister, die mich umgeben; waren die schon immer hier? Kaum zu glauben, dass mir noch genauso viele Jahre bleiben, vielleicht mehr.
Wenn ich dann wieder ein anderer Mensch geworden bin, in dreißig oder vierzig Jahren, werden die ersten Menschen auf dem Mars sein, und ich nicht dabei, weil ich alt geworden sein werde, ein Jäger am Feuer, hingelagert, mit einer Sicht auf die Dinge, die hinter ihm liegen. Ein langer, sommerlicher Spätnachmittag.
Der Geist meiner Großmutter wird die Goldfäden der Sonne im Wintergarten sortieren, meine Mutter sich eine Zigarette drehen. Der Vater wird „Prost“ sagen und „Schön, dass du auch endlich da bist“.
So ein langer Nachmittag. Aber so mild.

We'll meet again, don't know where, don't know when

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