Samstag, 16. Juni 2012

Immer noch krank. Immer noch Regen. Vielleicht hilft ja Conon de Béthune - der Barbar des Minnesangs.
Wie weit dieses goldene Mittelalter der 1970er Jahre entfernt ist, da ich solche Musik zum ersten Mal entdeckte, gefiltert durch die Folkmusik der Gruppe Ougenweide, die ich im elterlichen Radio hörte, oder in der Hippie-Kommune, die Parterre in unserem Haus wohnte. Man wusste nie so genau, wieviele bärtige Männer und flachsblonde Frauen zu dieser Wohngemeinschaft gehörten, immer hingen neue Gestalten auf den Korbstühlen in der Küche rum und tranken Tschai mit Kandiswürfeln.
Dort hörte ich Musik, die ich später wiederfand. Sandy Denny, Nick Drake und eben die mittelalterlich gefütterte Folkmusik von Ougenweide. Zeitgleich wurden in den Studios von Teldec oder der Deutschen Grammophon die Orginale eingespielt. Das beruhigende Dröhnen des hohen Mittelalters, goldene Zeit der europäischen Kultur. Ich saß auf einem Steine und deckte Bein mit Beine. (So traurig dieser Abend). Aber nein, es ist zwar fast schon dunkel, tief trübe ist das Wetter draußen zwischen grauem Himmel und grauen Häusern, doch ist es nicht ganz drei Uhr. Die Stille dickt im Zimmer ein, nur in der Wohnung über mir trappeln Füße ohne Körper.
Merkwürdig diese 70er Jahre, mit all den Gammlern in Schafsfellmänteln, in der Fußgängerzone von Lüneburg, die ihre langen Bärte in den Sonnenwind hielten und Schmuck verkauften in kleinen Bauchläden. Dieser Müßiggang auch in der Musik. Das Treiben, das nicht Wollen, das Finden.
Und selbst die Sozialdemokraten in den Ämtern fanden das gut, wollten es den Hippies nicht austreiben, jedenfalls nicht mir massiven Maßnahmen.
All die Ritter und Knappen sind jetzt in den Verliesen der Jobcenter fest gesetzt, und ihre Kinder, nein, ihre Enkel reiten für McKinsey.
Kaum zu glauben, dass Ensemlbes wie das "Studio der frühen Musik" bis in den Massenmarkt hinein verkauften, und nicht nur auf Mittelaltermärkten (die es noch gar nicht gab) oder im Foyer der Konzertfestsäle. Hippies auch sie, langhaarige Intellektuelle, die die Geheimnisse der Troubadoure ans Licht fidelten.
Stattdessen - in 2012 - Ausrichtung zum Nützlichsein. Bärte nur noch gestutzt, oder besser gar keine bei den Unternehmensberatern. Keine Geheimnisse mehr, nur klare Ziele, die sich leer hinter der Zielgerade erstrecken. Nur ab und an spielt noch wer die Liebeslieder des Conon de Béthune auf youtube.




Ougenweide

.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen