Sonntag, 19. Mai 2013

Seit zehn Tagen muss ich das Bett hüten, wie man in meiner Kindheit gesagt hätte. Ein zäher Infekt will nicht aus mir weichen, und ich schlurfe durch die unterwassergrüne Parterre-Wohnung von Sonnenstrahl zu Sonnenstrahl.
Gestern verbrachte ich den Nachmittag auf dem Sofa im Erker und schaute in den Regenhimmel, auf die feucht glänzenden Blätter der Linde vor dem Haus, auf den neusachlichen Wohnblock gegenüber.
Und schrieb irgendwann ein Gedicht, so wie ich zur Zeit fast immer meine Gedichte schreibe, aus dem Denken heraus, einem Denken, das von Büchern und Erinnerungen, auch von Stimmungen, gefüttert wird.
Ich versuche mich voranzudenken in der Dichtkunst, versuche meine Grenzen auszuloten, vorauszureiten, Avantgarde zu sein. Aber: was ist das? Unverständlichkeit? Geheimnis? Abgewandtheit?
Als ich in den 90er Jahre zum ersten Mal Gedichte Thomas Klings las, kamen sie mir ungemein, unfassbar kompliziert vor, teilweise undurchschaubar. Mittlerweile lese ich sogar Celan-Verse wie SPIEGEL online, gut verständliche Nachrichten aus einer nicht verständlichen Welt. (Nur mit Pound habe ich so meine bedeutenden Schwierigkeiten).
Dadurch kann ich meine eigenen Texte kaum einordnen. Ist das noch knapp in der Schnittmenge des Mainstreams, oder ist das schon das dunkelrote Segment?

In einem neuen Gedicht versuche ich mehrere Themen engzufuhren. Die Theorie der Schattenbiosphäre, die Theorie über die Entstehung des Lebens (also der ersten Zellen) in mikroskopischen Hohlräumen von Steinen, Reinkarnation, Utopia als Lichtort (wobei Utopia wörtlich ja Nichtort bedeutet), und die zyklopischen Tempel von Baalbek (dessen anderer Name Heliopolis war, Sonnenstadt, Lichtort). Das ganze angereichert mit weiteren Klang- und Bedeutungs-Verweisen. Ist das alles noch verständlich ohne Gebrauchsanweisung? Mir schon.


     Nah Baal-Bek
   
     Schattenbiosphäre, Lichtort
     Im Nichtort, Utopia der Geister
     schlägt sich das Empfinden von Tod
     nieder gehalten im Sekundenblatt
     aus Sphärenmusik und Chlorophyll
     Schattenbiosphäre, DNS-los und
     in den Steinkavernen unter der
     mütterlichen Erde aufkochend
   
     Halluzinationen das alles
     schon seit Sekunden, seit Äonen
     schlägt der Zeitstrahl auf und
     fächert sich entlang der Mauer
     des Hades, der Schattensphäre
     Halo um die Sonne im Tunnel
     Heliopolis nicht zu erreichen
     Nichtort, Lichtort, Schattenbahn



Darüber hinaus fange ich in letzter Zeit an, mich mit Photographie als Kunstform zu beschäftigen. Denn als Kunstform scheint sie mir fast ausgereizt, was mich anspornt. Wie kann man die Welt inszenieren, so dass sie auf Lichtbildern bemerkenswert erscheint? Soll man Photos narrativ gestalten, lyrisch, romantisch; oder gerät man dann in einen geradezu pornographischen Kitsch für des verständige Bürgertum? Analog? Digital? Suboptimal?

Gold und Geltung

Gürteltier

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