tag:blogger.com,1999:blog-35815433732428163762024-03-05T20:49:41.426+01:00Verbotene ZoneBlog von Florian VoßFlorian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.comBlogger211125tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-56971477646790357442023-05-14T12:24:00.001+02:002023-05-14T12:29:34.631+02:00<p>Letztes Jahr habe ich ein Arbeitsjournal zu meinem Fantasy-Roman <i>Die Ruinen von Vinatur </i>auf meiner Homepage geschrieben. Da ich die Seite umbauen werde, habe ich das Journal hierher migriert. Ihr könnt es direkt unter diesem Post lesen.</p><p>Kaufen könnt ihr das Buch für nur 3.99 € bei Amazon:</p><p><a href="https://www.amazon.de/Die-Ruinen-von-Vinatur-Fantasy-Roman/dp/B09YVD6XXH/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&crid=1BPAKFY20ZN2J&keywords=florian+voss&qid=1684059644&sprefix=florian+voss%2Caps%2C112&sr=8-2" target="_blank">Die Ruinen von Vinatur</a><br /></p><p>Dieser Blog ist damit beendet und bleibt im Netz als ewiges Archiv. Mein neuer Blog wird in wenigen Tagen auf meiner Homepage Premiere haben. </p><p><br /></p>Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-37110693192439132832023-05-14T12:12:00.000+02:002023-05-14T12:12:04.929+02:00<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhPYM3hDv022zHRhYLdvSGLVHjIldYahdFwyR7aCaaQ5f5hBCkmmMRf69C53OJd0wzOvULnZrOlpCCUojg3_g-UW9Cvd8YzC2Vj-qt6zkHghFTd589s1-deD3W-QobZvPR_yF4eMAJsOnAS8FE9d2P5bOmR-HJi6lhNjdn5pjmhqboWPYponV0v6h5jbw/s411/vinatur%20cover%20blog.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="411" data-original-width="257" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhPYM3hDv022zHRhYLdvSGLVHjIldYahdFwyR7aCaaQ5f5hBCkmmMRf69C53OJd0wzOvULnZrOlpCCUojg3_g-UW9Cvd8YzC2Vj-qt6zkHghFTd589s1-deD3W-QobZvPR_yF4eMAJsOnAS8FE9d2P5bOmR-HJi6lhNjdn5pjmhqboWPYponV0v6h5jbw/w200-h320/vinatur%20cover%20blog.jpg" width="200" /></a></div><p><br /></p><p>12.
April 2022 </p>
<p>Nur noch drei Wochen, dann ist es soweit. Mein Fantasyroman <em>Die
Ruinen von Vinatur</em> wird als eBook bei Amazon erscheinen. Am
1. Mai - am Tag der Arbeit. Es ist mein bisher bestes Buch geworden.
Rund 450 Seiten, die mich mehr als ein Jahr Arbeit gekostet haben.</p>
<p>Nun wird sich zeigen, ob der Roman, das Cover und die
Werbekampagne etwas ausrichten wird.</p>
<p>Auch das Cover habe ich selbst gebastelt, zum einen, weil ich
Design drei Jahre gelernt habe, zum anderen, weil ich endlich mal die
volle Kontrolle über eine Veröffentlichung haben wollte.</p>
<p>Ob das eine gute Idee war, das wird sich zeigen.</p>
<p>Mein Ziel ist: 5000 verkaufte Exemplare. Ist das zu hoch
gegriffen? Vermutlich. Andererseits, warum nicht? Der Roman ist gut
geworden. Bei der Überarbeitung habe ich ihn gerne gelesen. Und wenn
ich den Text schon gerne lese - ich, der ich schwer zufrieden zu
stellen bin - wieso nicht auch andere?</p><p><br /></p><p></p><p>13.
April 2022</p>
<p>In den letzten Wochen habe ich die Vorgeschichte zweier Figuren
aus dem Roman geschrieben, zweier Figuren, die mir sehr ans Herz
gewachsen sind. Es ist eine rund 40 Seiten lange Story geworden, die
zwei Jahre vor den Ereignissen der <em>Ruinen von
Vinatur</em> spielt.</p>
<p>Tira, das Mädchen aus Silberaue, die so eine bedeutsame Rolle in
Prinz Jaris Leben spielen wird, trifft auf den Zauberer Malek - auch
er später schicksalshaft verwoben mit Jaris und Kallum.</p>
<p>Die Story hat den Titel <em>Schattenschleicher</em> -
und ich versuche in ihr einen mehr impressionistischen Ton zu
treffen. Letztlich soll sie die Sichtweise einer Neunjährigen auf
eine gefährliche Welt darstellen, in der Ungeheuer die Norm sind,
heißen sie <em>Schattenschleicher</em> oder <em>Mutter</em>.</p>
<p>Aber die Geschichte soll auch das Abenteuer der Kindheit
einfangen, die Lichtstrahlen, die durch das Fenster fallen, den Wind,
der durch die Zweige rauscht. Und das Abenteuer des Lesens, dem Tira
verfallen ist ... so wie ich schon seit meiner Kindheit.</p>
<p>Ich habe die Geschichte mit großer Begeisterung geschrieben, aber
diese Begeisterung war nicht der einzige Grund, weshalb ich mich an
die Arbeit machte. Der Plan ist (so viele Pläne ... und so wenig
Sicherheit, ob ich sie in die Realität werde umsetzen können) ...
der Plan ist also, <em>Schattenschleicher</em> als <em>Schlepper</em> für
den Roiman zu verwenden. Ich werde die Story zum Preis von 99 Cent
anbieten, vielleicht auch kostenlos, so dass der Leser und die
Leserin dazu verleitet werden, den Roman zu kaufen, nachdem sie
hingerissen von der Kurzgeschichte waren.</p>
<p>Die Frage ist nur: werden sie hingerissen sein?</p>
<p>Und weil mir die Arbeit an Schattenschleicher so gefallen hat,
möchte ich drei weitere Storys schreiben, bevor oder während ich
den zweiten Roman in Angriff nehme (der den Arbeitstitel <em>Die
Ruinen von Albenmoor</em> hat und an dessen Vorarbeiten ich
schon sitze).</p>
<p>Zum einen jeweils die Vorgeschichten von Jaris und Malek, zum
anderen eine Sammlung von Legenden, die in dem <em>Grünen Buch
der Erde</em> niedergeschrieben sind. Aus diesem Buch wird im
Roman und auch in der Kurzgeschichte zitiert und ich habe das
Bedürfnis, diese Legendensammlung Wirklichkeit werden zu lassen, so
dass sie auch im echten Leben am Kaminfeuer vorgelesen werden kann.</p><p><br /></p><p>14.
April 2022</p><p></p><p>Zur Zeit überarbeite und korrigiere ich das letzte Viertel des
Romans. Mehr als ein Jahr nach Fertigstellung. Und es ist immer
wieder verblüffend, wie viele Fehler und Ungenauigkeiten man noch
findet. Ich hoffe, ich habe alle Bugs erwischt, die zwischen den
Seiten rumkrabbelten. Was ich auch immer wieder bei meinen
Manuskripten feststelle: je älter sie sind, je weiter entfernt, fast
schon in Echo-weite, um so objektiver kann ich sie lesen und
beurteilen. Das ist ein großer Vorteil, den ich jedem Schriftsteller
empfehlen kann wahrzunehmen, aber es war in diesem Fall keine
freiwillige Entscheidung, so vorzugehen.</p><p>Ich habe das Manuskript zahllosen Agenturen und späterhin einigen
Verlagen angeboten. Das Interesse war bescheiden und das ist noch
eine Übertreibung. Wäre ich nicht schon seit Jahrzehnten
Schriftsteller, hätte mich das vermutlich völlig aus dem Konzept
gebracht und noch immer nagt die Frage mit spitzen Zähnchen an
meiner Seele (denn öch bön der Seelephant): was, wenn sie recht
hatten, all die Experten, wie z.B. der Cheflektor von Fischer Tor,
der den Roman mit sehr harschen Worten abtat?</p><p>Ich glaube, sie alle haben unrecht, ich glaube sie kennen ihr
Publikum nicht. Wir werden es erfahren in knapp drei Wochen.
Eigentlich schon früher, denn <em>Die Ruinen von Vinatur</em> werden
ab Ende April bei Amazon vorbestellbar sein.</p><p>Derweil schreibe ich an dem zweiten Kurzgeschichten-Sidekick des
Romans, eine Sammlung von Legenden mit dem Titel <em>Das grüne
Buch der Erde</em> - wie gestern erwähnt spielt diese Sammlung
von Sagen auch eine Rolle in Vinatur selbst.</p><p>Wie viele Legenden es werden, das weiß ich noch nicht. Zwei kurze
Stücke habe ich schon. Zum einen den Anfang von <em>Siebenfinger
in der Stadt aus Eis</em> - Tira liest in <em>Schattenschleicher</em> den
Anfang dieser Geschichte -, zum anderen <em>Die Kinder von
Vinatur</em>, eine Sage, die ich gestern im Park begonnen habe zu
schreiben.</p><p>
</p><p>Im Park, in der Sonne, bei 20 Grad Celcius ... jetzt fällt der
Regen in dünnen Fäden und ich sitze am Schreibtisch. Wie gerne
würde ich wieder in der Sonne sitzen! Wie gerne wäre ich auf dem
Marktplatz von Tagwald, oder auf der Hochebene von Albenmoor ...</p><p><br /></p><p>15.
April 2022</p><p>Wieso eigentlich ein Fantasy-Roman? Das ist eine lange Geschichte.</p><p>Meine erste große Liebe (nach Enid Blyton) war die Phantastische
Literatur. Angeregt von <em>Raumschiff Enterprise</em> und
später <em>Mondbasis Alpha 1</em> lieh ich mir
Science-Fiction-Bücher in der Bibliothek aus. Erinnern kann ich mich
noch gut an <em>Das Raumschiff der Kinder</em> und <em>Commander
Perkins</em>.</p><p>Ich war fasziniert von den Welten, in die ich reisen konnte - die
ZUKUNFT, Raumschiffe, Roboter, Aliens. Dann kam der Horror ...</p><p>Als ich mit elf Jahren den Pfadfindern beitrat, fuhr ich wenig
später auf ein Ferienlager und dort las der Stammesführer (so
nannte sich das, die Pfadfinder hatten etwas leicht Archaisches - vor
allem mein Stamm <em>Bundschuh</em>, der eine Mischung aus
Hippies und Aufständigen war) eine Kurzgeschichte vor, von einem
Autor, dessen Namen ich noch nie gehört hatte: H.P. Lovecraft. Die
Geschichte des <em>Außenseiters</em> traf mich ins Herz,
denn das war auch ich. Später würde man so etwas Nerd nennen,
damals nannte man das Stubenhocker, Bücherwurm, Brillenschlange
(wobei ich in meiner Kindheit und Jugend noch keine Brille tragen
musste).</p><p>Horror-Literatur war im Jahr 1981 schwer zu bekommen in
Deutschland, es war wenig übersetzt und es gab noch kein Internet
(allerdings schon das Arpanet, aber dort hatte ich keinen Zugang und
Jeff Bezos hatte noch nicht einmal damit angefangen, Bücher mit der
Post zu verschicken). Was es aber gab waren Heftromane: <em>Professor
Zamora, Larry Brent, Macarbos</em> ... und <em>John
Sinclair</em>. Die Romane über den Geisterjäger vom Scotland Yard
begann ich mit Elan zu lesen. John Sinclair/Jason Dark war es auch,
der mich zum Schreiben brachte: mit zwölf Jahren beschloss ich, dass
ich so etwas auch könne (und zwar besser, wie mein jugendlicher
Größenwahn mir einredete) und schrieb in ein hellblaues Schulheft
meine erste Horror-Story ... <em>Chris Colman - Universität des
Grauens</em>.</p><p>Von Horror (und Science Fiction, die ich nach wie vor las) war es
kein weiter Weg zur Fantasy, vor allem, weil es ab den frühen 80ern
geradezu einen Fantasy-Boom gab. <em>Die unendliche
Geschichte</em> war erschienen, <em>Conan</em> war
verfilmt worden, <em>Der dunkle Kristall</em> lief im Kino
... und ich las, nachdem mir die Abenteuer John Sinclairs dann doch
zu simpel geworden waren, die <em>Elric</em>-Reihe von Michael
Moorcock und den <em>Enwor</em>-Zyklus von Wolfgang E. Hohlbein
(der damals noch die Initiale seines zweiten Vornamens im Namenszug
führte). Auch <em>Conan</em> und <em>Thongor</em>, <em>Kull</em> und <em>Jandar</em> zogen
in meine Welt ein. Und ich war beglückt - ich habe in meinem Leben
viel gelesen, aber nie wieder solche Unmengen wie in den Jahren 1980
bis 1985. Goldene Zeiten.</p><p>1985 war es auch, als ich zwei Bücher las, die meinen Zugang zur
Literatur entscheidend verändern würden: <em>Howl</em>, das
wilde Langgedicht Allen Ginsbergs und <em>Der Fremde</em>, der
existenzialistische Roman von Albert Camus. Beides stand meinem
fünfzehnjährigen Ich plötzlich besser zu Gemüt, also betrog ich
meine erste Liebe. Aber über die Jahrzehnte hatte ich immer wieder
ausgedehnte Affären mit der Ex, doch schrieb ich trotzdem nur das,
was man gemeinhin Hochliteratur nennt. Meine Bücher, die bis zu
diesem Tag erschienen sind, zeugen davon (gleichwohl sie auch das
eine oder andere phantastische Element beinhalten).</p><p>
</p><p>In den letzten Jahren allerdings fing mich diese Art von Literatur
an zu langweilen - das Bauchpinseln, die mangelnde Spannung, die
ewige Selbstbetrachtung - und ich begann wieder verstärkt Science
Fiction und Fantasy zu lesen (ab und an auch Horror). Und allmählich
breitete sich in mir das Bedürfnis aus, so etwas auch wieder selbst
zu schreiben, selbst eine neue Welt zu entwerfen. Und das tat ich
dann auch ...</p><p><br /></p><p><spacer align="left" height="10" type="block" width="222">26.
April 2022</spacer></p><p>Endlich sind die Osterferien vorbei und ich kann, als Vater von
zwei Kindern, wieder in Ruhe arbeiten.</p><p>Den Morgen über - und auch die letzten Tage - habe ich das
Manuskript gesetzt (für die Taschenbuch-Ausgabe), dann bei Amazon
hochgeladen und schließlich die Detailseite zusammen gebastelt; also
die Seite dort, auf der man das Buch dann finden wird ... oder besser
gesagt, schon finden kann.</p><p>Denn ab jetzt ist <em>Die Ruinen von Vinatur</em> vorbestellbar.
Die kleine Werbekampagne werde ich aber erst starten, wenn das Buch
am 1. Mai zu kaufen oder leihen ist.</p><p>Doch eigentlich wollte ich gar nicht von den Strapazen eines
Selbstverlegers berichten, sondern damit beginnen, ein wenig über
die Einflüsse zu plaudern, die meine Art Fantasy zu schreiben
geprägt haben. Und einer dieser Einflüsse war <strong>Das
Schwarze Auge</strong>.</p><p>Ich hatte mir das erste Fantasy-Rollenspiel deutscher Sprache zu
meinem vierzehnten Geburtstag im Jahre 1984 gewünscht (lang, lang
ist's her) und auch bekommen.</p><p>Die nächsten Monate, was sag ich, Jahre verbrachte ich mit diesem
Spiel auf dem Speicher meines besten Freundes Joe Enderlein, der dort
ein eigenes, von Eltern und Großeltern nicht leicht auffindbares,
Reich besaß. Mit anderen Freunden erlebten wir dort Abenteuer in
Aventurien und für vierzehnjährige Jungs war das weitaus besser,
als alles, was vor den kleinen Fensterluken geschah.</p><p>Anfangs richteten wir uns nach den offiziellen Abenteuerbüchern
(<em>Im Wirthaus zum schwarzen Keiler</em>!!!), dann aber fingen wir
an, eigene zu schreiben - also vor allem ich fing damit an.</p><p>Das erste Stück Fantasy, das ich schrieb war <em>Die
Sumpfwälder des Schreckens</em> - eine wilde Hatz durch drei
Dutzend Fallen, so weit ich mich erinnere. Am Titel kann man schon
erkennen, dass ich zuvor nur Horror-Groschenromane gelesen und
geschrieben hatte. Das Abenteuer war abgeschmackt und es war
großartig!</p><p>Eine neue Welt zu entwerfen, mit Städten, Dörfern, Verliesen und
Höhlen, das war eine Offenbarung für mich. Das war mehr, als nur
eine Geschichte aufzuschreiben und - von heute aus betrachtet - eine
gute Vorbereitung darauf, <em>den</em> Roman zu schreiben,
den ich jetzt, nach Jahrzehnten, endlich geschrieben habe. Denn die
Welt muss ja glaubhaft sein, muss eine Geschichte haben, Mythen,
Götter, Pflanzen und Tiere ... und natürlich Monster. Ich hoffe,
dass mir das gelungen ist.</p><p>In den 80ern kaufte ich noch viele Rollenspiele - Midgard, Dungeon
& Dragons, Traveller - aber als ich nach Berlin zog, ließ ich
alles in der elterlichen Wohnung zurück. Meine Eltern entschieden
sich kurz darauf, sich scheiden zu lassen. Erst zog mein Vater aus,
dann meine Mutter ... und die Myriaden von Spielen, Regelbüchern und
Abenteuer verschwanden im Orkus der Zeit. (Oder wurden sie von einem
Ork gestohlen?)</p><p>Weg, ohne Ausnahme.</p><p>Mich kümmerte das wenig; ich war in Berlin, lebte ein Leben als
Künstler und hatte anderes zu tun.</p><p>
</p><p>Doch in den letzten Jahren ergriff mich dann eine Melancholie und
brachte mich dazu, einiges nachzukaufen. Auch die Originalausgabe
des <strong>Schwarzen Auges</strong> war dabei, natürlich,
denn sie war ja der Ursprung allen Übels. Ich spiele das Spiel nicht
mehr, mir fehlen Zeit und Mitspieler, aber ab und an krame ich eines
der Abenteuer hervor, blättere darin und fliege mit weit gespreizten
Schwingen über das abendliche Aventurien.</p><p><br /></p><p>29.
April 2022</p><p>Heute, an meinem 52sten Geburtstag, habe ich den zweiten Band der
Ruinen-Reihe (wie ich sie nenne) begonnen - <em>Die Ruinen von
Albenmoor</em> - der die Geschichte um Kallum, Ajala, Jaris und
Tira fortführt. Und es warten auf den Leser, die Leserin so einige
Überraschungen. Denn obwohl ich erst am Anfang des Manuskripts
stehe, habe ich natürlich oft und intensiv über die Geschichte
nachgedacht, wie sich die Figuren entwickeln werden, wie sich die
Welt von Kalandris verändern wird ... und was es mit dem gespaltenen
Mond auf sich hat.</p><p>Es waren schon von Anfang an drei Bände geplant, aber im letzten
Jahr kamen mir Zweifel, ob beim (noch nicht vorhandenen) Publikum
überhaupt ein Interesse bestehen könnte? Doch in letzter Zeit habe
ich so großen Spaß am Entwerfen dieser Welt gehabt - vor allem, als
ich <em>Schattenschleicher</em> schrieb -, dass ich nicht
mehr davon lassen kann.</p><p>Die nächsten Monate hab ich ausreichend Freiraum, denn eine
kleine Rücklage ermöglicht mir, mich bis zum Winter auf meine
Arbeit zu konzentrieren, doch im nächsten Jahr werde ich mich, wenn
der erste Band kein zumindest kleiner Erfolg wird, nach einem Job
umsehen müssen.</p><p>Leider ist in diesem Land, von wo auch immer her, das Gerücht,
nein, die feste Meinung aufgekommen, man könne mit Anfang fünfzig
nicht mehr eine anspruchsvolle Lohnarbeit ausführen, so dass mir
nichts anderes übrig bleiben wird, als eine Hilfsarbeit anzunehmen.
Das wird auf die Knochen gehen, aber immerhin werde ich mich nicht
mit schlauen Leuten rumärgern müssen. (Vermutlich aber mit weniger
schlauen).</p><p>Wenn ihr also nicht wollt, dass ich ab Januar 2023 Regale bei Lidl
einräumen muss, dann verhelft mir zu einem Erfolg und käuft <em>Die
Ruinen von Vinatur</em>. Ab übermorgen könnt ihr das eBook oder die
Taschenbuchausgabe bei Amazon bestellen. Wenn ihr ein
Kindle-Unlimited-Abo habt, könnt ihr das Buch auch ausleihen.</p><p>Und wenn ihr mir noch mehr helfen wollt, dann lasst nach dem Lesen
eine Rezension dort, sonst trifft mich die persönliche Rezession,
denn nichts erhöht die Sichtbarkeit auf Amazon - und somit die
Möglichkeit eines Erfolgs - mehr.</p><p>Zum Schluss noch die erste Szene des neuen Manuskripts, ein früher
Teaser sozusagen, noch bevor ihr den ersten Band gelesen haben könnt.
Hoffentlich einer, der neugierig macht:</p><p>(ACHTUNG: LEICHTE SPOILER ZUM ERSTEN BAND)</p><p><em>Der gespaltene Mond stand groß und bedrohlich am Himmel,
drängte sich durch die dunkelgrauen Wolkenfetzen, die von einem
scharfen Wind über die Wälder am Fuß der Burg getrieben wurden.</em></p><p><em>Es roch nach Nebel und Herbstlaub. Die Nacht war still wie ein
Schlachtfeld nach dem Ende der Kämpfe und Tarank at’ Miradek stand
am obersten Fenster des Burgturms und blickte abwechselnd hinab auf
die Wälder und zum Mond hinauf, der ihn schwermütig werden ließ.
[...]</em></p><p><em>Tarank ar’ Miradek schaute wieder in die Tiefe. Die Burg
thronte auf einer schroffen Felsnadel, die sich mehr als zweihundert
Fuß aus den dunklen Wäldern erhob. Wälder, die bis zum Horizont
reichten und von Nebelschwaden durchzogen wurden und in denen die
Unberührbaren hausten. Früher einmal waren sie Diener auf den
Burgen seines Volkes gewesen. Das war lange her, Tarank konnte sich
kaum noch erinnern, wie lange. Waren hundertzwanzig Sommer vergangen,
oder eher hundertvierzig? Tarank wusste es nicht mehr. Müde strich
er sich über das hagere Gesicht, das weiß wie Marmor war und
genauso kalt und hart. Manchmal wünschte er sich die Diener zurück.
Und die Dienerinnen. Aber es wäre kein guter Einfall, die Gefahr
eines weiteren Aufstands heraufzubeschwören. Deshalb hatte der Hohe
Rat seinerzeit die Unberührbaren verbannt, bis auf wenige Ausnahmen,
die in der Zitadelle dienten, ruhig gestellt, vom eigenen Willen
befreit durch die Kunst der Elchemischen Gilde.</em></p><p><em>Tarank at’ Miradek wandte sich von dem nächtlichen Bild ab,
vom gespaltenen Mond und von den Wäldern, dem Nebel und den düsteren
Wolken und trat an ein filigranes Tischchen, um den Docht der Öllampe
hochzudrehen. Das Licht flammte auf und erhellte sein Schlafgemach.
Es musste weit nach Mitternacht sein und er würde bis zum
Morgengrauen nicht schlafen können, das spürte er bis tief in die
Knochen. Je älter er wurde, um so seltener küsste ihn die Mutter
Nacht, um so mehr versank er in fruchtlose Grübelei.</em></p><p>
</p><p><em>Er gab sich einen Ruck und ging zu seinem Harmonium, das neben
dem Bett stand. Etwas Musik würde ihm gut tun, würde seine
angespannten Nerven beruhigen. Wenn nur nicht der gespaltene Mond so
dicht vor seinem Fenster stehen würde.</em></p><p><em><br /></em></p><p>1. Mai
2022</p><p>Es ist soweit, heute ist <em>Die Ruinen von Vinatur</em> bei
Amazon erschienen. Und kurz nach Mitternacht zeigten mir die internen
Statistiken schon einen Verkauf an. Wer das wohl gewesen sein mag?</p><p>Ich werte das mal als ein gutes Zeichen.</p><p>Die nächsten Tage werden spannend für mich. Ich habe dieser
Veröffentlichung mehr entgegen gefiebert, als meinem Geburtstag zwei
Tage zuvor. Und es ist mir klar, dass es ein Höllenritt werden wird,
diesen Fantasy-Jumbo von der Landebahn zu bekommen - aber mit eurer
Hilfe wird das schon ...</p><p>Als nächstes starte ich eine kleine Werbekampagne direkt auf
Amazon und werde sie mit der Kreditkarte meiner Frau bezahlen, weil
ich keine eigene habe (der arme Poet).</p><p>Ein heftig kapitalistisches System übrigens; man ersteigert die
Werbeplätze über das Gebot für einzelne Schlagwörter. Immerhin
kann man überhaupt Werbung schalten. Bei <em>Steam</em> zum
Beispiel ist das nicht möglich, wie ich bei meinem ersten eigenen
Game erfahren musste. <em>Steam</em> verkauft das als
"Faire Entscheidung", um den großen Playern keinen Vorteil
zu geben, aber der Effekt für einen Ein-Mann-Publisher wie mich ist,
dass keinerlei Sichtbarkeit entstehen kann. Mein Spiel <em>Gothic
1881</em> (das wirklich recht gelungen ist, wie ich finde) hat
sich in etwas mehr als einem Jahr nur rund 100 mal verkauft.</p><p>
</p><p>Da ersteigere ich dich lieber einen Werbeplatz bei Amazon und
hoffe auf das Beste.</p><p><br /></p><p></p><p>2. Mai
2022</p>
<p>Wow! Tag 2 und schon ist das Buch in der Unterkategorie <em>Dunkle
Fantasy</em> in der Top 100. Das fängt ja gut an. Ist nebenbei
gesagt das erste Mal in meinem Leben, dass ich in den Charts
auftauche.</p>
<p>Aber zufrieden bin ich ja nie, deswegen hoffe ich sehr, in den
nächsten Tagen auch in die Hauptkategorie <em>Fantasy</em> aufzusteigen.
Das wäre ein Traum, wenn das kein Traum bliebe.</p>
<p>Was mich auch begeistert hat: Amazon stellt ja einiges an
Statistiken zur Verfügung und dadurch habe ich erfahren, dass
gestern 644 Seiten, bei über <em>Kindle Unlimited</em> ausgeliehenen
Büchern, gelesen wurden. Da ich nicht glaube, dass <em>Die
Ruinen von Vinatur</em> schon oft ausgeliehen wurde bedeutet das
wahrscheinlich, dass jemand das Buch in einem Zug durchgelesen hat.
Scheint spannend zu sein ...</p>
<p>Am Vormittag habe ich weiterhin das Buch in verschiedenen Sozialen
Medien und Foren beworben und vor allem meine Facebook-Community hat
mich unterstützt, auch mit Käufen. Großartige Sache.</p>
<p>Anschließend habe ich eine kleine Werbekampagne bei Amazon selbst
geschaltet, mit einem Etat von 200 Euro für 10 Tage. Mal sehen, was
es bringen wird. Nach den heutigen Zahlen und Rängen bin ich
zuversichtlich.</p><p><br /></p><p>25.
Mai 2022</p><p></p><p>Kinder, Küche und Karriere haben mich die letzten Wochen daran
gehindert, in diesem Arbeitsjournal zu schreiben, was nicht sehr
schlimm ist, weil kaum etwas Nennenswertes geschehen ist. Außer die
Werbekampagne ...</p><p>Auf Amazon bietet man für Klicks. Ich habe also ein Tagesbudget
festgelegt, dass meine Gebote auf 20 Euro täglich begrenzt hat. Den
einzelnen Schlagwörtern, mit denen ich Klicks für mein Buch
generieren wollte, habe ich Gebote von anfänglich um die 70 Cent pro
Klick, später bis zu 120 Cent zugeordnet. (Dieser Betrag wird nur
angerechnet, wenn ein Käufer auf die Anzeige klickt und auf die
Detailseite des Buches weitergeleitet wird).</p><p>Vorweg kann ich sagen, es hat kaum etwas gebracht. Zwar habe ich
durch die ziemlich hohen Gebote mehr als 20.000 Impressionen gehabt -
das heißt, so oft wurde meine Anzeige in der Suchliste zu meinen
Schlagwörtern gesehen - aber nur ein paar hundert Leute haben dann
auf das Buchcover geklickt, um auf die Detailseite des Buches zu
kommen. Und noch weniger haben das Buch dort gekauft. Sehr viel
weniger. In den zehn Tagen, die die Kampagne lief, sind über die
Werbung sage und schreibe 4 Verkäufe zustande gekommen (und ein paar
Hundert gelesene Seiten über <em>Kindle Unlimeted</em>).</p><p>Glücklicherweise ist das Gebotssystem auf Amazon dynamisch, so
dass mein Tageslimit vom Algorithmus nicht annähernd ausgeschöpft
wurde. Ich habe also in den zehn Tagen nur etwa 50 Euro Verlust
gemacht.</p><p>Kein Problem. Was aber ein Problem ist: wieso haben mehr als
20.000 Impressionen zu nur 4 Verkäufen geführt?</p><p>Es könnte am Cover liegen. Was schmerzt, weil ich das Cover ja
selbst entworfen habe und es für ziemlich passabel hielt. Aber das
Publikum hat es offensichtlich nicht goutiert, passabel scheint
heutzutage nicht auszureichen. Also habe ich mich nach guten
Grafikern umgeschaut - und die guten sind teuer. (Und die billigen
kaum besser, als ich selbst). Ein Grafiker, den ich sehr schätze und
der für viele große Verlage arbeitet, möchte für ein Cover
mindestens 800 Euro. Das ist zwar angemessen, aber für mich völlig
außerhalb des Budgets, vor allem, weil ich mir ziemlich sicher bin,
diese Ausgabe auf absehbare Zeit nicht wieder reinholen zu können.
Und was wäre, wenn es doch nicht am Cover liegt, sonden zum Beispiel
an der Buchbeschreibung oder am Plot? Dann hätte ich knapp 1000 Euro
in den Sand gesetzt.</p><p>Wie also weiter? Erst einmal werde ich wie geplant nächste Woche
das <em>Beiboot</em> veröffentlichen, die
Kurzgeschichte <em>Schattenschleicher</em>, die ich teils
kostenlos anbieten werde, um LeserInnen zu begeistern und dann auf
den Roman zu verweisen. Auch das eine ziemliche unsichere
Herangehensweise. Aber vielleicht geht der Plan ja auf.</p><p>Zum anderen werde ich mich wieder an meine Grafikprogramme setzen
und ein neues Cover gestalten, eines, dass dem Publikum hoffentlich
besser gefällt. Der Relaunch folgt dann im Laufe des Monats Juni.</p><p>
</p><p>Was noch zu sagen bleibt: faszinierend, wie wenig Verkäufe man
braucht, um bei Amazon in einer (eher unwichtigen) Unterkategorie in
der Top 100 zu landen. Ein, zwei eBooks am Tag, dann noch 200
gelesene Seiten in ausgeliehenen Exemplaren ... und schon steht man
auf Platz 98 in <em>Dunkle Fantasy</em>. Aber gebracht hat das
leider auch nicht viel.</p><p><br /></p><p>31.
Mai 2022</p><p>Kostenlos - eigentlich wollte ich das ja nie wieder machen, denn
ein Schriftsteller soll für seine Arbeit bezahlt werden.</p><p>Aber dieses Mal habe ich einen Plan: die knapp 50 Seiten lange
Fantasy-Story <em>Schattenschleicher</em> wird von mir in
den nächsten Tagen verschenkt und soll sozusagen als Schlepper für
den Roman dienen (ich erwähnte es schon). Das Ziel ist, die
Leserschaft mit dieser Geschichte von meinem Können zu überzeugen,
so dass sie ohne mit der Wimper zu zucken, oder überhaupt
nachzudenken, den Roman kauft. Ein schöner Traum ...</p><p>Allerdings weiß ich, aufgrund der Kostenlos-Aktion bei meinem
ersten eBook (Jahre ist es her), dass zwar viele potenzielle Käufer
gerne ein Geschenk annehmen, dann aber nicht mal eine Review oder ein
paar Sterne auf Amazon da lassen. Undankbare Kobolde, sie alle.</p><p>Vielleicht ist es dieses Mal ja anders ... Begeisterungsstürme,
Berühmtheit, Reichtum ... Schnickschnack.</p><p>
</p><p>Was mich an etwas erinnert: ihr, die ihr schon <em>Die Ruinen
von Vinatur</em> gekauft habt, ihr knapp 30 Menschen dort
draußen in den Weiten der Gutenberg-Galaxis, seid so gut und gebt
mir ein paar Sterne oder eine Review, wenn ich schon keinen Kanten
Brot in der Hand und kein Dach mehr über dem Kopf hab. Denn ich bin
ein armer Gaukler, doch ich kann mit Ironie und Sarkasmus besser
jounglieren, als mit Totenschädeln.</p><p><br /></p><p></p><p>30.
August 2022</p>
<p>Heute, Monate später, muss ich leider eingestehen, dass es sich
alles nicht so entwickelt hat, wie ich es mir erträumte.</p>
<p>Die Werbekampagne auf Amazon ist ins Leere gelaufen, die beiden
Bücher haben sich grauenhaft schlecht verkauft, die Kostenlos-Aktion
ist wie schon geahnt vonstatten gegangen - mehr als zweihundert
Exemplare sind gratis über den Tresen gegangen, keine einzige
Rezension ist danach auf Amazon veröffentlicht worden, nicht einmal
ein paar Sterne glitzerten.</p>
<p>Das alles ist schade, aber offenbar nicht zu ändern. Ich habe
mich bemüht (sicher nicht genug), doch was Public Relations
anbelangt, bin ich leider, leider eine Null.</p>
<p>Und vielleicht ist <em>Die Ruinen von Vinatur</em> auch
einfach nicht gut genug, um es in höhere Ränge zu schaffen.</p>
<p>Die Konsequenz: ich habe den zweiten Teil, <em>Die Ruinen von
Albenmoor</em>, erst einmal ad acta gelegt und schreibe zur
Zeit stattdessen zum einen an einem Krimi, zum anderen an
einer Dystopie. Mal sehen, was daraus wird ...</p>
<p>Als Abschiedsgeschenk für meine dreißig treuen Leser und
Leserinnen habe ich einen Download auf die Startseite dieser Homepage
gestellt: <em>Siebenfingers Rache</em>, eine Kurzgeschichte,
eine Legende aus dem <em>Grünen Buch der Erde</em>. Ich wünsche
euch viel Vergnügen beim Lesen.</p><br /><p></p>Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-17508645061028533012022-04-13T20:54:00.003+02:002022-04-13T20:57:02.666+02:00<p style="text-align: center;"><br /></p><p style="text-align: center;"><b>In nächster Zeit geht es auf meiner Homepage weiter mit einem Arbeitsjournal zu meinem Fantasy-Romanzyklus</b></p><p style="text-align: center;"><i><b><span style="font-size: x-large;">Die Ruinen von Vinatur</span></b></i></p><p style="text-align: center;"><a href="http://www.florianvoss.com/arbeitsjournal-vita/" style="outline-width: 0px; user-select: auto;" target="_blank"><span style="font-size: medium;"><b>KLICK</b></span></a></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi4aPctdgVAHOF4ZFA7CGHDmobYij-WXazGrnyrLt5gWEot2RxqAQkq9YaO92a1E9scMz74ebZ_D7d-Yah5mSO4rYqAqSi-eD0cSFIFCnhPYWv4BvLb_zM0Glzc42QG7nBuCPCzlpJs9fpWufvAlxZv1SY0ZzDkBTJpXi__IAky-AjCTf7_rlyDo26ovw/s1280/WERBUNG%20Banner.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="720" data-original-width="1280" height="360" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi4aPctdgVAHOF4ZFA7CGHDmobYij-WXazGrnyrLt5gWEot2RxqAQkq9YaO92a1E9scMz74ebZ_D7d-Yah5mSO4rYqAqSi-eD0cSFIFCnhPYWv4BvLb_zM0Glzc42QG7nBuCPCzlpJs9fpWufvAlxZv1SY0ZzDkBTJpXi__IAky-AjCTf7_rlyDo26ovw/w640-h360/WERBUNG%20Banner.png" width="640" /></a></div><br /><p><br /></p>Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-15157680540765663032021-05-02T11:48:00.004+02:002021-09-19T19:54:27.207+02:00Seit mehr als 50 Jahren suchen wir nach Leben draußen in den Sternen. Wir hören Radiofrequenzen ab, wir scannen den Himmel, wir entdecken neue Sterne, sogar Planeten in den letzten Jahren, Planeten, die teils dafür gemacht scheinen, Leben zu beherbergen.<br />
Doch finden können wir nichts. Alles leer dort draußen, alles still. Ein schweigendes Universum. Dabei müsste es vor Leben - auch intelligentem - nur so wimmeln, wenn man die schiere Menge der Sonnensysteme betrachtet, die allein im sichtbaren Universum vorhanden ist (und es besteht die Möglichkeit, dass jenseits des sichtbaren Teils noch mehr existiert). Millionen von Milliarden von Sternen, besser noch, Millionen von Milliarden Galaxien. Unmessbar ... doch augenscheinlich leblos.
<br /><br />
Die heutzutage übliche Erklärung für dieses kaum wahrscheinliche Phänomen ist die Annahme, dass das Universum zu alt sei (nach heutiger Vorstellung etwa 14 Milliarden Jahre), die Abstände zwischen potenziellen Zivilisationen zu groß, räumlich wie auch zeitlich. Deswegen sei es realistisch, dass zeitgleich mit uns keine andere Intelligenz in der Milchstraße existieren würde. Und über die Milchstraße hinaus wären die Entfernung zu gewaltig, als dass wir eine andere Zivilisation entdecken könnten.
<br /><br />
Doch was ist mit Von-Neumann-Maschinen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Von-Neumann-Sonde" target="_blank"></a>? Wir, eine nur mäßig fortgeschrittene Gesellschaft, sind kurz davor diese Kolonisations-Maschinen zu entwickeln, technisch wäre es uns bereits möglich. Sollte es in den letzten zehn, zwölf Milliarden Jahren schon zahllose außerirdische Zivilisationen gegeben haben, müsste nur eine das Konzept der selbst-replizierenden Maschinen gehabt haben, dann hätten sich diese Armeen von Robotern in den vergangenen Äonen über das gesamte Universum ausgebreitet. Und selbst wenn diese, wie ein biologischer Organismus, irgendwann ausgestorben wären, zum Beispiel durch Ressourcenmangel in den Räumen zwischen den Sternsystemen, müssten wir Relikte auf allen Planeten finden.<br />
Zudem wären es in Milliarden Jahren wohl nicht nur ein paar wenige außerirdische Lebensformen gewesen, die Von-Neumann-Maschinen entwickelt hätten. Wo also sind sie, die Maschinen und ihre Erbauer? Sie sind nicht vorhanden. Das Universum ist still, bis auf diesen einen kleinen, blauen Planeten in einem - so scheint es - unbedeutenden Sonnensystem am Rande des Orionarms unserer Galaxie. Sozusagen der Garten Eden des Kosmos.
<br /><br />
Wir sind allein. Doch was folgt daraus? Wenn wir davon ausgehen, dass in einem derart maßlosen Weltall keine andere Intelligenz existiert bedeutet dies nicht nur, dass wir etwas unfassbar Außergewöhnliches sind, es impliziert, dass wir mit Absicht erschaffen wurden, dass die Erde eben doch auserwählt ist unter all den Steinkugeln, unter all den Gasbällen, die menschenleer durch die große Leere driften.
<br /><br />
Denn wie sollte es eine Erklärung sein, dass in all dieser Maßlosigkeit, die wir Universum nennen, durch einen nicht wiederholten Zufall nur auf einem einzigen Planeten - unter Milliarden von Milliarden Planeten - intelligentes Leben entstanden ist? Da scheint mir ein Schöpfer die naheliegendere Erklärung zu sein.<br /><br />
Die Leere des Himmels ist der beste Gottesbeweis.
<br /><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRxo7JrC0_v21kIuunsNwE8j-9MZ72zk6c1hEnSa0ugAkA1PCJY8khkRUUsDgfaHQWkDjKR1qZNlhdp5SDfWFtzvxaqGE42RIKsFELKCxLQnxYwtg_FTBSqDLp7EUGrnNqhlnDL_NS5GH-/s1000/1000px-Position_der_Erde_im_Universum_4x2.png" style="display: block; margin-left: auto; margin-right: auto; padding: 1em 0px; text-align: center;"><img border="0" data-original-height="500" data-original-width="1000" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRxo7JrC0_v21kIuunsNwE8j-9MZ72zk6c1hEnSa0ugAkA1PCJY8khkRUUsDgfaHQWkDjKR1qZNlhdp5SDfWFtzvxaqGE42RIKsFELKCxLQnxYwtg_FTBSqDLp7EUGrnNqhlnDL_NS5GH-/w640-h320/1000px-Position_der_Erde_im_Universum_4x2.png" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Sie befinden sich hier ...</td></tr></tbody></table>
<br />Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-91785266973731885252021-04-25T21:01:00.004+02:002021-05-02T11:59:09.031+02:00In letzter Zeit habe ich ja schweres Bauchgrimmen des Alterns wegen. Erwähnte ich das schon?<br />
Mein Körper baut ab, die (wenigen, immer schon dürftigen) Muskeln werden in Fett tranformiert, was denn Effekt hat, dass ich zwar nicht in die Breite gehe, aber trotzdem immer schwabbeliger werde. 181 groß, 75 Kilogramm schwer und einen Körperfettanteil von 27 Prozent. (Du Lauch, oder besser gesagt, du Pudding). Also habe ich unlängst mit etwas Training angefangen, am Morgen, im violetten Bademantel. 3-Kilo-Hanteln und rumgezappel auf dem Boden.
<br /><br />
Inspiriert hat mich dazu auch der Blog des muskulösesten Schriftstellers der Welt, André Spiegel, der nicht nur einen Bizeps hat, sondern auch Style, sowohl im Schreiben, als auch im Kleiden. Seinen großartigen Blog findet ihr hier: <a href="https://flfnd.tumblr.com" target="_blank"></a>
<br /><br />
Sport also. Es ist nicht zu fassen, was ich auf meine alten Tage noch alles veranstalte. Ich habe noch nie in meinem Leben Sport gemacht (von einem halben Jahr Judo im Alter von sieben Jahren abgesehen - ich hab nicht mal den gelben Gürtel bekommen), alle Muskeln, die ich habe, sind mir genetisch vererbt worden. Vielleicht hatte ich vor Äonen einen Hufschmied als Ahnen.<br />
Vor fünf Tagen habe ich angefangen, unangeleitet und unkoordiniert. Diese niedlichen Hanteln waren ja noch zu meistern, aber als ich mich zum Liegestützen niederließ, brach ich nach fünf Stück fast zusammen und zehn Sit-ups schienen mir die Bauchmuskulatur zu zerreißen. Nach zehn Minuten Training war ich völlig fertig. Doch der menschliche Körper ist ein Wunderwerk, der mich immer wieder überrascht. Vor allem meiner.
<br /><br />
Jetzt, nach nur fünf Tagen, halte ich schon eine halbe Stunde durch, bringe 20 Liegestütze und 30 Sit-ups fertig und fühle mich wie He-Man! Ganz ohne Flax, mein Körpergefühl hat sich nach so kurzer Zeit schon verändert. Und deswegen habe ich beschlossen, das weiterzuverfolgen. Und mich in einem Fitness-Studio anzumelden. Doch: Stopp! Corona! Verdammt!<br />
Dabei gibt es bei mir um die Ecke ein sehr schönes Studio, das in einem Gebäude residiert, welches den Architektur-Kenner an einen SciFi-Streifen aus den 70er Jahren denken lässt. Man muss dort, im 5. Stockwerk des Forum Steglitz, einen großartigen Ausblick haben.
Schön muss es dort sein. Das ist mir schon oft aufgefallen, wenn ich an dem Gym vorbeiging, auf dem Weg in die Steglitzer Bücherei (die Ingeborg-Drewitz-Bibliothek, die ich sehr empfehlen kann).
<br /><br />
Noch nie war ich in einer Mucki-Bude, ich habe so etwas immer milde verachet, aber jetzt will ich dort hin. Ich will an die Gewichte, zum Yoga und zum Zumba (hört sich toll an, aber was - um Gottes Willen - ist das? Zumba?). Vor allem will ich an die Rudermaschine. Denn über die Anschaffung einer Rudermaschine denke ich schon lange nach (seit ich "House of Cards" geschaut habe). Doch gute Rudermaschinen sind teuer - würde ich mir eine kaufen (wofür ich nicht das Geld habe), hätte ich zwei Jahresbeiträge für das Fitness-Studio ausgegeben. Also möchte ich sozusagen die günstige Variante wählen.<br />
Aber werde ich dort nicht einen Kulturschock bekommen? Oder werde ich in ein modernes, gesundes, optimiertes, muskulöses Leben hinein gezogen? Dürfen Dichter überhaupt in Mucki-Buden gehen? Und soll ich schon mal das Vorher-Foto aufnehmen?<br />
Das Leben und die Fragen, die es einem stellt, sie werden nicht einfacher mit zunehmendem Alter.
<br /><br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgwrky8R6P3DVCM1gOExuUqpcKEmOhtCc-IMP5ALQZJ7l-807V9co2ItnIUj4zi16or11zFapH41AIjDBewPCjaZ1pvfKSW3YZyVISRDncjrDBMX07e53RlXFhE2HP1KdUslv2Gi6qpQYZ9/s1024/_A_New_Sandow_Pose_%2528VIII%2529_%252C_Eugen_Sandow_Wellcome_L0035270_-_restoration.jpg" style="display: block; margin-left: auto; margin-right: auto; padding: 1em 0px; text-align: center;"><img alt="" border="0" data-original-height="1024" data-original-width="661" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgwrky8R6P3DVCM1gOExuUqpcKEmOhtCc-IMP5ALQZJ7l-807V9co2ItnIUj4zi16or11zFapH41AIjDBewPCjaZ1pvfKSW3YZyVISRDncjrDBMX07e53RlXFhE2HP1KdUslv2Gi6qpQYZ9/s400/_A_New_Sandow_Pose_%2528VIII%2529_%252C_Eugen_Sandow_Wellcome_L0035270_-_restoration.jpg" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Eugen Sandow</td></tr></tbody></table>
<br />Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-70067250828120079932021-04-24T14:59:00.007+02:002021-05-02T11:59:36.103+02:00Der Tod lauert überall. Auf den Türklinken, in der Luft, im Atem fremder Menschen.<br />
In letzter Zeit beschwert mich wieder der Gedanke, dass ich rapide älter werde. In fünf Tagen ereiche ich das 52. Lebensjahr. Wenn ich so alt wie meine Mutter werden sollte, bleiben mir noch dreizehn Jahre, wenn so alt wie mein Vater, noch sechzehn. Das ist nicht viel, das ist knapp bemessene Zeit.<br />
Mein Vater ist mittlerweile fünfzehn Jahre Tod, meine Mutter vierzehn. Es sind also etwa so viele Jahre seither vergangen, wie mir noch bleiben würden, wenn ich so jung sterben würde, wie meine Eltern. Wobei: als mein Vater mit 67 Jahren starb dachte ich erst, das sei doch verteufelt früh, aber dann schaute ich in den Kohorten-Registern nach. Für einen Mann seines Jahrgangs war er genau durchschnittlich alt geworden: 67,5 Jahre.<br />
Er war ganz einverstanden damit, in diesem Alter zu sterben, war sich sicher, sein Leben aureichend gelebt zu haben. Starb ohne sichtbare Angst an einem lauen Sommertag in einem Hospiz, bekleidet mit einem Krankenhaushemdchen, dass seine Rückseite durch einen Schlitz sehen ließ
<br /><br />
Ich hingegen habe mir schon früh vorgenommen, 93 Jahre alt zu werden. Die Zahl kam zustande durch meine ausgeprägte Angstneurose, unter der ich früher litt. Alle wichtigen Dinge mussten mit der Zahl Drei (oder ihrem Vielfachen) zu tun haben. Das bedeutete, dreimal drei Mal auf's Holz klopfen, oder auf das Türblatt, nachdem ich die Tür abgeschlossen hatte (also drei Mal abgeschlossen und wieder aufgeschlossen hatte, um sie dann wieder jeweils abzuschließen). Oder ich musste drei Mal auf den Boden spucken, um zu überleben, oder neun Mal um einen Poller herumgehen, um nicht sofort des Todes zu sein. Wobei: wenn die Drohung der himmlischen Mächte sich auf ein "Sofort" bezogen, dann war ja noch alles in Butter. Schlimm wurde es erst, wenn der Nichtvollzug einer magischen Handlung den Tod innerhalb der nächsten 24 Stunden versprach. Denn bei einem "Sofort" war ich nach einigen Sekunden erlöst, bei einem "Die folgenden 24 Stunden" musste ich zittern bis zum nächsten Abend. Der Tod lauerte überall. In jedem Kellerfenster, in jeder Ritze, in meinem Kopf, in meinem Herz.
<br /><br />
Schon in der nächsten Sekunde könnte mein Herz aufhören zu schlagen oder mein Hirn explodieren (so wie bei meiner Mutter, die allein in ihrer Wohnung sitzend vom Schlag getroffen wurde - man fand sie zwei Wochen später, denn es roch merkwürdig im Treppenhaus).
Über den Tod denke ich nach, seit ich 11 Jahre alt bin, folglich seit nunmehr 40 Jahren. Covid-19 kann mich wenig schockieren. Ich bin abgehärtet. Ich habe den Tod in unzähligen Nächten gesehen und geschmeckt, gerochen und gefühlt.
Schon als Kind, als ich mit einem schweren Fieber über Wochen im Bett lag, gefangen in Fieberträumen, am Rand des verzerrten Abgrunds, der nicht dunkel war, sondern hell wie die Unendlichkeit. Es war im Frühjahr 1978, und die Russische Grippe hatte mich in den klammen Fingern, wollte mich nicht mehr hergeben.
Ich kann mich gut an die Linsensuppe erinnern, die meine Mutter kochte, als ich auf dem Weg der Besserung war, dem lang gedehnten Fiebertraum entronnen. Es gab danach nie wieder etwas, das so gut geschmeckt hatte. Ich hätte mein Erbteil gegeben für dieses Linsengericht.
<br /><br />
Draußen ein Frühling mit der Seele eines Winters. Menschen auf den Straßen, bald schon tot, historische Fotografien, die in hundert Jahren beim Trödler liegen werden, wenn auch die Enkel gestorben sind an irgendeiner unbeschreibbaren Seuche. Alle schon jetzt vergessen, so wie ich.
<br /><br />
Meine Eltern sind noch nicht vergessen. Unlängst habe ich meine tote Mutter animiert (genauer gesagt ein Foto von ihr). Die KI hat ihrem fest gefrorenen Gesicht neues Leben eingehaucht.<br />
Manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte sie einfach besuchen gehen. Denn es war doch erst letzte Woche, als ich bei ihr zum Essen war ... oder nicht? Es gab Linsensuppe.
<br /><br />
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhacfjT_xGedi__cF9Ms6JaVxsInqe0lI7hyphenhyphenoETlxgvcaBlHYn0IJdydZNj7KOMKg_d5eCs9O7i1vJT_gfa-AScoIzbZvlwvtMY1uciMhFJeMNsTJMLFAJTGPMcdOTdEFBJNGUaTOLf5Mln/s960/jmt.jpg" style="display: block; padding: 1em 0px; text-align: center;"><img alt="" border="0" data-original-height="960" data-original-width="607" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhacfjT_xGedi__cF9Ms6JaVxsInqe0lI7hyphenhyphenoETlxgvcaBlHYn0IJdydZNj7KOMKg_d5eCs9O7i1vJT_gfa-AScoIzbZvlwvtMY1uciMhFJeMNsTJMLFAJTGPMcdOTdEFBJNGUaTOLf5Mln/s400/jmt.jpg" /></a></div>
<br>Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-21389544160187431712021-04-23T18:11:00.003+02:002021-05-02T11:59:47.491+02:00Schlecht ist, dass die allgemeine Empörung die Menschen zum Schweigen bringt, und zwar meist nicht die, die empört sind.<br>
Da haben also ein paar mehr oder minder prominente Schauspieler und Schauspielerinnen ihren Unmut darüber kundgetan, dass so vieles geschlossen wird, marginalisiert, unnütz gemacht.<br>
In meiner Facebook-Blase dann - die sich teils mit der Blase der Meinungsmacher der Printmedien schneidet - ein einziger Aufschrei: Wie kann man denn nur ... das wären ja fast schon Rechte ... die würden die Toten verspotten ...<br>
Und gleich darauf zieht die erste - Heike Makatsch - ihren Beitrag zurück. Aus ihren Zeilen bei Twitter kann man die Panik fast heraushören. (Angstschweiß, Odorama-Kinntop). Jetzt nur keinen falschen Schritt, sonst ist die Karriere gecanceled. Der erste Rundfunkrat (was für ein Titel) mit Namen Garrelt Duin fordert bereits, die unverschämten Schauspieler und Schauspielerinnen von ihren Rollen im TV zu entbinden. Man könnte das auch Berufsverbot light nennen. Aber bislang ist es nur die Twitter-Forderung eines subalternen SPD-Politikers.
<br><br>
Diese aufschäumende Panik, die im Mantel der Wut daher kommt, im Wolfspelz - eine Meute, zwei Meuten, auf jeder Seite Meuten. Aber alle haben sie keinen Schneid. (Kleiner, preußischer Scherz, verzeihen Sie mir, ich schreibe gerade an einem Roman übers 19te Jahrhundert).<br>
Soviele dabei, die seit Jahrzehnten den Planeten ruinieren, aber wenn irgendwer vorsichtig anfragt, ob er sein Leben zurückhaben könnte, eventuell, ganz vielleicht, wenn's nicht zuviele Umstände macht, irgendwann - dann, ja, dann reißen sie den Mund auf und geben unterthänigst zu bedenken, dass die Intensivstationen "volllaufen" würden. Schieben die Toten und Sterbenden vor wie ein Schutzschild. Alle Mann Augen geradeaus und Marsch, sonst sterben die Leute. Und wer nicht mitläuft, der killt meine Omi.<br><br>
Nebenbei bemerkt: ein Land von mehr als 80 Millionen Bürgern, dass es nicht schafft, etwas mehr als 5000 Intensiv-Patienten angemessen zu behandeln und pflegen, das hat ganz andere Probleme, als nur die Pandemie. (Ich geb einen Tipp: das Problem nennt sich ungezügelter Kapitalismus - und der tötet Menschen schon seit Jahrzehnten nach Hekatomben).
<br><br>
Ich will nicht wissen, was in diesem Land los sein wird, wie diese Gesellschaft sich ins Schäumen bringen wird, wenn demnächst mal ein Virus vorbeischaut (Hallo, schön Sie zu sehen, Herr Nachbar), das eine Letalität von 10% hat, oder 30%. Das Vogelgrippe-Virus H7N9 wäre ein guter Kandidat. Dann können wir "The Stand" von Stephen King neu inszenieren und dann haben auch Ulrich Tukur und Jan Josef Liefers wieder eine angemessene Rolle.
<br><br>
Das derzeitige Virus ist ja nicht mal ne Grippe (tief durchatmen), wenn man es mit der Spanischen Grippe von 1918/19 vergleicht. Und trotzdem schon die ersten Stimmen in meinem Bekanntenkreis, dass es nie wieder Normalität geben dürfe, zumindest die Masken lebenslänglich getragen werden müssten. Und bis dahin: Zero Covid!<br>
Freunde, ich sage es seit Monaten: das Wesen einer Pandemie ist, das man sie nicht aufhalten kann.
<br><br>
Aber die Impfungen, höre ich viele empört schreien, die werden uns retten. Vor der Mutante ... und der Mutante ... und der Mutante. Die Impungen werden uns retten mutatis mutandis.
<br><br>
(Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die AfD verboten gehört).
<br><br><br>
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg_JxJLLpze7mo-_0rmS-mTQXdBNP7y_rAgtqjPk19pIKmYxDIpVitTTfCSrbj20yGEX1b2PFF46RCVR9dHyCx5FhlWSrNxsjAoe95hPHozXUkMdzdDsZtf_IQOYEkemDu15rbUUHm6Iu7S/s566/tukur.PNG" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="400" data-original-height="314" data-original-width="566" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg_JxJLLpze7mo-_0rmS-mTQXdBNP7y_rAgtqjPk19pIKmYxDIpVitTTfCSrbj20yGEX1b2PFF46RCVR9dHyCx5FhlWSrNxsjAoe95hPHozXUkMdzdDsZtf_IQOYEkemDu15rbUUHm6Iu7S/s400/tukur.PNG"/></a></div>
<br>Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-23232282218821406972021-04-22T19:36:00.001+02:002021-05-02T11:59:59.747+02:0024 Milliarden Euro müssen die Herren der deutschen Atomindustrie für die Entsorgung des angefallenen Atommülls zahlen, dann sind sie wieder schuldlos, die Zerstörer. Derweil die Linguisten noch immer darüber streiten, welche Piktogramme in 100.000 Jahren gelesen, entziffert werden könnten. Es wird wohl auf einen Totenkopf hinauslaufen, Symbol eines uralten Todeskults. Kommen sie nicht näher, hier wird ihnen die Haut in Fetzen vom Körper fallen, hier kotzen sie sich die Seele aus dem Leib.
Das ATOMZEITALTER war in meiner Kindheit. Oder, nein, das ist nicht richtig beschrieben, vielmehr WAR meine Kindheit das Atomzeitalter. Die Ära der Radioaktivität spannte sich als gesellschaftliches Ereigniss durch die 70er und 80er Jahre, füllte die Gazetten und Gehirne. Ich kann mich erinnern: Pershing II auf Tiefladern, die über die Autobahnen (Hitlers Autobahnen, wie man noch sagte. Autobahnen, die von Kraftwerk besungen wurden, eine Elekronik-Combo, die sich nach dem AKW benannt hatte) - die also über die Autobahnen fuhren, bedeckt mit olivgrünen Planen, Götzen eines seltsamen Fruchtbarkeits-Kults. Wir, die Kleinfamilie, die Kernfamilie, zockelten im Ford Escort an den endlos langen Kolonnen der Atomraketen vorbei, auf dem Weg in eine strahlende Zukunft.
<br><br>
Dann Tschernobyl - auch schon 35 Jahre her, Kinder, wie die Zeit vergeht - Gerüchte vom Sterben, Milch von deutschen Kühen nicht mehr trinkbar, Salat welkte in den Supermärkten, Pilze brachten den Tod und keine Träume mehr. Davor und danach marschierte ich auf Anti-AKW-Demos, ein Teenager mit Angst in den Knochen, mit Kobalt in den Knochen. Kobolde jede Nacht, die die Zähne fletschten unterm Bett.
Es hat nichts gebracht. Oder, doch: es hat mich zu dem Freak gemacht, der ich schon war, von diesem Zeitpunkt an war ich unrettbar verloren für dieses System. System des Todes. Landschaften unter ABC-Nebel. ABC-Schüler war ich fortan nicht mehr.
<br><br>
Und die Jagdflieger in den Lüften, die Probealarme jeden letzten Freitag im Monat, die uns auf den Atomkrieg vorbereiteten. Der Musiklehrer - ein sanfter Nazi - spielte die Intervalle immer auf dem Klavier mit, die Sirenen, die uns in die Verderbnis riefen. Draußen vor den Fenstern zuckten die Hausfrauen zusammen. So lange sie ihre Plastiktüten von Aldi nicht fallen ließen und zu rennen begannen, so lange war alles gut. Noch.
<br><br>
Das Atomzeitalter, es wurde im Fernseher beendet, erst von Gorbatschow, dann von Schröder-Fischer-Merkel. Hat uns nur 24 Milliarden Euro gekostet, vorerst. Billige Sache.
Angst habe ich nur noch selten. Unter den Hügeln der Pfalz schlummern immer noch die Mittelstreckenraketen.
<br><br>
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiPbdiX_QQC1JanxcD7qB_xL5o5qB9uQjhhQlNUjk8G5r7eNAkUvwTyszQeZv14wh2AJdCz7pEcQ-QpVjqgOJ6tji2MafKjIZZrdbX0VhiYjtcNMaYYmBd1dHwZWIIwh1LFyH35hiAjjENW/s640/Tschernobyl_2013_1.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="427" data-original-width="640" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiPbdiX_QQC1JanxcD7qB_xL5o5qB9uQjhhQlNUjk8G5r7eNAkUvwTyszQeZv14wh2AJdCz7pEcQ-QpVjqgOJ6tji2MafKjIZZrdbX0VhiYjtcNMaYYmBd1dHwZWIIwh1LFyH35hiAjjENW/s320/Tschernobyl_2013_1.jpg"/></a></div>
<br>Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-1245129888240637952020-04-02T16:16:00.006+02:002021-09-19T16:10:14.967+02:00<span style="font-size: medium;"><br />
</span><div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><span><b>TOTENSOMMER [8]</b></span>
</span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><span><br /></span>
</span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><span>+++ Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span><br />
</span><div>
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div><div><span style="font-size: medium;"><div><br /></div><div>5. Kapitel</div><div><br /></div><div><br /></div><div>Das Haus war so runtergekommen, wie er es in Erinnerung hatte.</div><div>Drei von sechs Räumen waren leer, nur alte Blümchen-Tapete hing traurig von den Wänden und Mäusekot lag in den Ecken. Im Zimmer unterm Dach hatte es rein geregnet und der Dielenboden war aufgequollen.</div><div>Im Erdgeschoss waren nur die Küche, das Wohnzimmer und eine kleine Schlafkammer nutzbar. In der Küche stand eine antike Kochmaschine, die man mit Holz beheizen konnte, ein wackeliger Tisch mit Resopal-Platte und vier Stühle, aus deren Sitzflächen der Schaumstoff rauskam. Die Kammer wurde fast vollständig von einem alten Doppelbett eingenommen, dessen Federbetten nach Muff und dem Fett der Gänsedaunen rochen. Nur das Wohnzimmer sah einigermaßen wohnlich aus. Ein Sofa aus der Vorkriegszeit stand neben dem großen Fenster zum Garten, drei Sessel mit erbsgrünen Polstern waren um einen niedrigen Tisch aus Eichenholz gruppiert und zwischen zwei Bücherregalen hing ein Ölbild mit einer Waldszene, die gar nicht mal so kitschig wirkte. In den Regalen stapelten sich Bücher und Zeitschriften, ein halbes Dutzend Nippes-Figuren aus Porzellan und ein Wählscheiben-Telefon.</div><div>Georg sah sich die Bücher an und blies Staub von den Rücken: drei Bände Lenin, das Kapital von Marx und Engels, zwei Kochbücher, sehr viele Kriminalromane von Edgar Wallace und Agatha Christie, eine Reihe mit Klassikern der Weltliteratur und ein Taschenbuch-Lexikon in zwölf Bänden. Er dankte seinem Schöpfer, dass er seinen Kindle mitgenommen hatte.</div><div><br /></div><div>Es war kalt im Haus, deswegen ging er raus zu einem kleinen Schuppen, der windschief an der Hausmauer lehnte, und holte eine handvoll Holzscheite. Zurück nahm er den Weg um das Haus, damit er den Garten begutachten konnte. </div><div>Hauptsächlich waren es Disteln und Giersch, die die Beete und Rasenflächen überwuchert hatten. An den Zäunen, die das Grundstück einhegten, stand dichtes Gestrüpp und die zwei Linden inmitten des Gartens waren seit Jahren nicht mehr beschnitten worden. Das Ganze sah völlig verwildert aus. Immerhin würden sich darüber die Nachbarn nicht beschweren, weil das Haus zurückgesetzt am Rand der Ortschaft stand, hinter den Zäunen schlossen nur Felder und brachliegende Weiden an. Das nächste Haus war gut hundert Meter entfernt die Dorfstraße runter.</div><div>Georg ging wieder rein und heizte den Kachelofen im Wohnzimmer an. Die kackbraun glasierten Kacheln wurden schnell warm, der Ofen zog vermeintlich gut, aber als der Wind auch nur ein bisschen auf den Schornstein drückte, war der Raum sofort mit dichtem Rauch gefüllt.</div><div>„Verdammt!“</div><div>Georg riss die Fenster auf und versuchte, möglichst flach zu atmen. Das Landleben – ein Grauen. Aber vermutlich besser, als in der Großstadt eingeschlossen zu sein.</div><div>Während der Rauch abzog ging er zur Leiter im oberen Stockwerk und kletterte zum Kriech-Speicher hinauf. Gebückt konnte er sich gerade noch bewegen und schaute sich um. In einer Ecke stand eine eingestaubte Kommode und unter der kleinen Dachluke ein steinaltes Fernsehgerät. Nordmende, sicherlich 40 oder 50 Jahre alt, vermutlich sogar noch in Schwarzweiß.</div><div>Georg zog nacheinander die drei Schubladen der Kommode auf: zerfledderte Wanderkarten, rostiges Werkzeug, mottenzerfressene Decken und zwanzig Rollen Klopapier aus DDR-Produktion. Auf der Banderole stand Werra-Krepp.</div><div>„Besser als nichts“, murmelte er.</div><div>Dann ging er wieder runter und packte seine Sachen aus. Der Rauch hatte sich mittlerweile verzogen und die Holzscheite hatten eine so große Hitze entwickelt, dass die Luft im Schornstein zuverlässig nach oben gedrückt wurde.</div><div>Georg nahm sein Laptop und ließ sich in die Sofa-Polster sinken. Die Eisenfedern knarrten und quietschten.</div><div><br /></div><div>Als der Abend anbrach, hatte er genug Nachrichten über die Corona-Krise gelesen und startete ein Videogame. Wenn draußen in der wahren Welt nur Seuchen und Verdammnis zu finden waren, schien ihm die beste Alternative, in die Wirklichkeit eines Spiels abzutauchen.</div><div>Risen stand auf dem Start-Screen und Georg wählte den niedrigsten Schwierigkeitsgrad. Er wollte entspannen, wollte ferne Länder sehen, Monster mit einem Schwertstreich in die Hölle schicken. Er wollte jetzt Eskapismus! Realitätsflucht bis zum Abwinken!</div><div>Das Spiel begann und er fand sich in einer Bucht am Meer wieder. Die Wellen schlugen wild ans Ufer und der Gewitterhimmel wölbte sich zerklüftet über dem Wasser.</div><div>Am Ende der Bucht breitete sich ein üppiger Dschungel aus, in dem sicher gefährliche Ungeheuer lauerten.</div><div>Georg schaute sich um, indem er die Maus nach links und rechts bewegte. Am Ufer lagen tote Matrosen, die wie er Schiffbruch erlitten hatten, aber nicht so gut weggekommen waren, die nicht Helden dieses Spiels sein durften, nur leblose Charaktermodelle im pixeligen Sand.</div><div>Er durchsuchte ihre Taschen und sackte Goldstücke, Rum-Flaschen und ein Entermesser ein. Dann stieß er auf eine Frau, die ebenfalls im Sand niedergestreckt lag, die aber offenbar noch nicht ihr Leben ausgehaucht hatte. Ihr Name war Sara und sie suchte seinen Schutz.</div><div><br /></div><div>Nachdem er drei Stunden lang Monster geschnetzelt hatte, war es immer noch Tag und er ließ sich zu einem Spaziergang hinreißen, auch wenn er es eigentlich vermeiden wollte, irgendwelche Dörfler zu treffen.</div><div>Die Sonne stand knapp über den Dachfirsten und schickte ihre grellen Strahlen die Ernst-Thälmann-Straße hinab. Das Kopfsteinpflaster glänzte im Licht und das schlichte Stahlkreuz, dass auf dem Zweckbau der Kirche stand, wurde von einer Aureole umgeben.</div><div>An der Fassade des Gotteshaus war in Mosaiktechnik ein Sinnspruch eingelassen. Herr bleib bei uns, denn es will Abend werden. Merkwürdig, dass in einem sozialistischen Land offensichtlich noch in den frühen 60er Jahren neue Gotteshäuser gebaut worden waren, zumal in so einem Kaff wie Grautow.</div><div>Georg näherte sich der Kirche, ging am Dorfanger vorbei, auf dem eine einsame Ente paddelte und ab und an den Kopf unter Wasser streckte, um nach einem Fisch zu schnappen. Georg legte die Stirn in Falten – aßen Enten überhaupt Fisch? Er wusste es nicht, er war ein Großstadtkind.</div><div>Die Kirchentür war verrammelt, die Fenster von innen mit Pappe abgedeckt. Nur an einem war ein Spalt zwischen Pappe und Fensterrahmen. Georg drückte die Nase an die Scheibe und linste durchs Glas. Nichts zu erkennen, außer Schatten die sich auf Schatten türmten.</div><div>Plötzlich tippte ihm jemand auf die Schulter.</div><div>„Verzeihung, darf ich stören?“</div><div>Georg drehte sich abrupt um und schaute in das lächelnde Gesicht des älteren Mannes, den er schon bei Edeka gesehen hatte, der ihn dort vor den geifernden Dorfbewohnern in Schutz genommen hatte, jedenfalls ein wenig.</div><div>Der Mann streckte ihm die Hand entgegen.</div><div>„Friedrich Reißer. Sie müssen nochmals entschuldigen, dass Jennifer Sie so angegangen ist. Sie hat es wirklich nicht leicht.“</div><div>Georg schaute ihn kühl an.</div><div>„Wer immer diese Dame auch ist, sie hat sich schwer im Ton vergriffen, würde ich sagen.“</div><div>Reißer nickte.</div><div>„Ja, hat sie. Aber das liegt an der Anspannung, an der Angst. Die Krankheit … erfüllt sie mit Schrecken. Jennifer ist kaum noch sie selbst.“</div><div>Georg zuckte die Schultern. Er wollte eigentlich gar nicht über diese impertinente Person reden. Aber er konnte kaum das Gespräch abbrechen, ohne mehr als unhöflich zu sein.</div><div>„Wieso? Diese Jennifer ist doch noch jung. Kaum Dreißig, würde ich schätzen.“</div><div>Wieder nickte Reißer.</div><div>„Aber sie lebt mit ihrem alten Vater zusammen. Dort vorne, in dem alten Haus.“</div><div>Er deutete auf ein Fachwerkhaus, das etwas zurückgesetzt von der Straße stand und von wildem Flieder und hohem Farn umgeben war. Es sah fast ein wenig verwunschen aus.</div><div>„Sie müssen das verstehen, Herr ...“</div><div>„Georg, Sie können mich Georg nennen.“</div><div>„Fein, ich bin der Fritz.“</div><div>Wieder streckte er ihm die Hand entgegen und dieses Mal nahm sie Georg und schüttelte sie.</div><div>„Jennifers Vater war früher im Bergbau tätig“, sagte Reißer. „Wismut AG, in Schneeberg und Oberschlema. Hat Uran abgebaut, der Rüdiger, gut drei Jahrzehnte, später auch Quecksilber. Ich kann Ihnen sagen, dass hat seiner Lunge nicht gut getan. Silikose!“</div><div>Georg schaute ihn verständnislos an.</div><div>„Silikose?“</div><div>Reißer klopfte sich auf den Brustkorb und verzog den Mund.</div><div>„Staublunge. Kann kaum noch schnaufen, der Rüdiger. Liegt fast den ganzen Tag im Bett. Jennifer versorgt ihn. Und sie hat Angst um ihn. Ist ihr letzter Angehöriger.“</div><div>„Und die Mutter“, fragte Georg.</div><div>„Traurige Geschichte“, sagte Reißer. „Hat auch für die Wismut AG gearbeitet, als Sekretärin, ist trotzdem an Lungenkrebs gestorben, zu viel Radon vermutlich.“</div><div>Er zögerte kurz und strich sich fahrig seine dünnen, stahlgrauen Haare zurück.</div><div>„Geraucht hat sie natürlich auch, Cabinet, manchmal auch Juwel. Die gute Astrid. War eine Dorfschönheit. Jeder war hinter ihr her. Aber Rüdiger hat das Rennen gemacht.“</div><div>„Interessant“, sagte Georg zögerlich.</div><div>„Ist dann gestorben, nicht lange nach der Wende und ein halbes Jahr nach Jennifers Geburt. Tragische Sache, wie ich schon sagte.“</div><div>„Ja“, sagte Georg.</div><div>Reißer schaute ihn betrübt an.</div><div>„Und was machen Sie so“, fragte Georg.</div><div>Das Gesicht des alten Mannes erhellte sich.</div><div>„Oh, ich war hier früher mal der Pfarrer. Das ist meine Kirche. Ist sie jedenfalls gewesen, bis vor fünf Jahren. Seitdem bin ich in Rente und schreibe an einem Buch.“</div><div>„An einem Buch?“</div><div>„Über die Geschichte des Landkreises Grautow.“</div><div>Georg schaute ihn verblüfft an.</div><div>„Das Kaff hat einen eigenen Kreis?“</div><div>Reißer nickte eifrig.</div><div>„Ja, sicher, es gehören noch drei Gemeinden dazu. Frießnau, Schwedfurt und Schwallow. War alles Teil meines Sprengels. Hab ihn allen Kirchen gepredigt, immer abwechselnd, an jedem Sonntag in einer anderen. Tempi passati. Jetzt stehn sie alle leer. Keiner will mehr auf dem platten Land eine Gemeinde betreuen. Schade drum.“</div><div>Georg nickte höflich.</div><div>„Aber jetzt muss ich weiter“, sagte Reißer. „Will noch nach dem Adler schauen.“</div><div>Er tippte auf ein Fernglas, das vor seiner Brust baumelte.</div><div><br /></div><div>Nachdem sich Georg in den Feldern hinter dem Dorf noch ein wenig die Beine vertreten hatte, kehrte er zurück in sein Haus.</div><div>Mein Haus, dachte er, wohl kaum. Andererseits – irgendwann gehört das alles dir, mein Sohn. Unwillkürlich musste er grinsen.</div><div>Dann ging er in die Küche, öffnete das Fenster und lauschte. Hier war es so still wie in der Großstadt. Die Corona-Krise machte jeden Teil des Landes zu einem Ort ohne viel Geräusche. Aber es war eine Stille, die ihn in der Stadt nervös machte, hier hingegen ließ sie ihn zur Ruhe kommen. Vorerst jedenfalls.</div><div>Er ging zum Herd, heizte mit drei Scheiten Holz an und machte sich eine Dosensuppe warm. Chinesischer Hühnereintopf Bihun.</div><div>Nachdem er sie in eine angeschlagenen Schüssel gekippt hatte, setzte er sich ins Wohnzimmer ans Fenster und klappte sein Notebook auf.</div><div>Lust zu zocken hatte er nicht, er konnte jetzt einfach nur schwer die künstliche Natur in dem Videospiel ertragen. Stattdessen öffnete er Skype und rief seine Mutter an. Tante Gesche erschien innerhalb von Sekunden auf dem Bildschirm.</div><div>„Georg! Was für eine Freude“, rief sie.</div><div>Er verschluckte sich fast an seiner Bihun-Suppe.</div><div>„Sag mal, Tante Gesche, du musst dir wirklich abgewöhnen, einfach so den Account deiner Schwester zu nutzen. Das ist privat.“</div><div>„Papperlapapp“, sagte Gesche. „Wir sind doch fast wie Zwillinge. Zwischen uns passt nicht mal ein Blatt Papier.“</div><div>Georg seufzte laut auf.</div><div>„Und? Wie geht es dir, Tante Gesche?“</div><div>Sie steckte sich eine Kim zwischen die Lippen und entzündete sie mit einem eleganten Feuerzeug aus Silber.</div><div>„Ach, Georg, wird schon. Mir geht‘s prächtig.“</div><div>„Und wo ist Mama?“</div><div>Gesche wiegte den Kopf bedächtig hin und her.</div><div>„Die ist einkaufen. Schon seit Stunden. Ich glaube, sie versucht mich zu meiden. Warum auch immer.“</div><div>Ihre Mundwinkel zuckten melancholisch. Georg befürchtete beinahe, dass sie im nächsten Moment in Tränen ausbrechen könnte. Tante Gesche hatte eine dramatische Ader und war gut in solchen Dingen.</div><div>Schnell versuchte Georg sie abzulenken.</div><div>„Und was machst du so, den lieben langen Tag, Tante Gesche?“</div><div>Sie zog die Augenbrauen nach oben.</div><div>„Was ich so mache? Ich mache mir Gedanken ...“</div><div>„Und was für welche?“</div><div>Sie schob sich eine glänzend schwarze Strähne aus der Stirn und zog an ihrer Damen-Zigarette.</div><div>„Das willst du wirklich wissen?“</div><div>„Sonst würde ich ja nicht fragen.“</div><div>„Also gut“, sagte sie. „Dann will ich dir meine Gedanken nicht vorenthalten.“</div><div>Gesche machte eine bedeutsame Pause.</div><div>„Hast du schon von der Heuschreckenplage in Afrika gehört?“</div><div>„Ja, hab ich. Stört es dich, wenn ich esse?“</div><div>Er ahnte schon, was kommen würde.</div><div>„Nein, gar nicht. Du musst ja bei Kräften bleiben, gerade in Zeiten wie diesen.“</div><div>Sie drückte ihre halb aufgerauchte Kim aus.</div><div>„Diese Heuschreckenplage ist jedenfalls ein Zeichen, davon bin ich fest überzeugt. Und jetzt diese grässliche Krankheit! Die Verrohung der Sitten, die Erderwärmung!“</div><div>„Was hat denn jetzt die Erderwärmung damit zu tun?“</div><div>„Kind, ich glaube nicht, dass du das wirklich verstehen kannst, aber das alles ist ein Zeichen Gottes. Es geht auf das Ende zu!“</div><div>Georg löffelte weiter seine Bihun-Suppe.</div><div>„Ach, Tante Gesche, wieso sollte Gott denn die Heizung aufdrehen?“</div><div>„Weil wir in Sünde leben!“</div><div>Ihr Gesichtsausdruck duldete keine Widerrede.</div><div>„Wir haben uns von Gott abgewandt. Das ist nun seine Art, wieder auf sich aufmerksam zu machen. Es werden bald die Posaunen im Himmel erschallen!“</div><div>Georg legte den Löffel beiseite und musterte seine Tante skeptisch.</div><div>„Das würde mich wundern.“</div><div>„Denk an meine Worte, Georg. Denk an meine Worte, die letzten Tage sind angebrochen!“</div><div><br /></div><div>Später zog er sich in eine dunkle Ecke des verwilderten Gartens zurück. Die Sonne war schon hinter dem Horizont verschwunden, aber noch immer strahlten die Schichten des Himmels in glühenden Farbtönen von Orange über Rot zu Violett. Als wäre am anderen Ende der Welt ein Vulkan ausgebrochen und seine Asche würden in den oberen Schichten der Atmosphäre treiben, dachte Georg. Wie vor 200 Jahren, als Mary Shelley über das menschliche Monster schrieb, in einem Jahr ohne Sommer, an einem See in der Schweiz, als der Vulkan Tambora im fernen Java ausgebrochen war und das abendländische Firmament eingefärbt hatte.</div><div>Georg glaubte, jetzt unter einem ähnlichen Himmel zu sitzen, auch wenn er ihn nie würde beschreiben können wie ihn Mary Shelley beschrieben hatte, in ihrem Roman über den neuen Prometheus, dessen Name Frankenstein war.</div><div>Langsam dunkelte der Himmel ein und Georg nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas. Er hatte in einer Kammer den Vorrat Onkel Karls entdeckt und sich zwei Flaschen Rotwein von der Krim gegriffen, die schwer nach Kopfschmerzen schmeckten.</div><div>Er trank, bis der Himmel schwarz geworden war, er trank, bis er nicht mehr konnte.</div><div><br /></div><div>Am nächsten Morgen wachte er verkatert auf und griff als Erstes nach seinem Handy, dessen Diode eine neue Nachricht signalisierte. Es war eine SMS von Jonas.</div><div>„Hi Georg, ich kann morgen leider doch noch nicht kommen. Ich bin da an was dran, was mich endlich sanieren könnte. Kohle ohne Ende. Aber ich werd dich später besuchen, in deinem Provinzkaff. Und dann bring ich Champagner mit! Bis dahin: halt die Ohren steif, altes Kaninchen. LG Jonas ...“</div><div>Georg schälte sich aus den Laken und ging in die Küche. Da es im Haus kein Bad gab, wusch er sich an der Spüle. Dann machte er sich einen Kaffee mit der DDR-Kaffeemaschine, die brodelte wie ein Geysir.</div><div>Er setzte sich mit seinem E-Bookreader in den Garten und las ein wenig in einem Buch von H.P. Lovecraft, aber sein Kopf war noch von dem krim‘schen Rotwein so vernebelt, dass er es bald aufgab. Stattdessen schloss er die Augen und ließ sich die Morgensonne ins Gesicht scheinen.</div><div>Sein Kopf war völlig leer. Kurz vorm Satori, dachte er. Man brauch gar nicht zu meditieren, man muss nur genug saufen.</div><div>Ein Insekt summte an seinem Ohr vorbei, er öffnete die Augenlider zu Schlitzen. Das war eine Hummel, die gemächlich durch die Luft tuckerte, auf dem Weg zu besseren Blumen.</div><div>Georg stand auf und schaute über die Felder. Hier war wirklich nichts heile geblieben, was man Natur nennen konnte. Felder um Felder, die meisten brach liegend. In der Ferne ein paar Wellblech-Baracken, vermutlich alte Silos für Getreide. Strommasten und Windräder. Ab und an ein Baum an buckeligen Landstraßen. Nur der Himmel wirkte noch echt. Unverdorben, ungeschändet.</div><div>Was machte er eigentlich hier? Georg spuckte über den Zaun. Wieso bin ich in die Provinz geflohen? Hier werde ich an Langeweile sterben. Wenn mich nicht diese Jennifer mit der Mistgabel aufspießt.</div><div><br /></div><div><br /></div><div>6. Kapitel</div><div><br /></div><div>Die Wochen zogen gleichförmig ins Land. Der Rest des März erst, dann der ganze April.</div><div>Jonas schickte alle paar Tage eine SMS, in der stand, dass er später kommen würde. Mit einem Haufen Kohle.</div><div>Georg spürte, wie mehr und mehr das Leben aus ihm wich. Er fühlte sich nicht krank oder schwach, aber sein Gehirn schaltete jeden Tag einen weiteren Gang runter, bis ihm selbst komplexere Videospiele zu viel wurden. Er hatte tagelang in Anno 1404 an einer mittelalterlichen Stadt gebaut, Warenkreisläufe optimiert, sinnlose Aufträge für den Kaiser erfüllt, doch irgendwann war sein Geist so stumpf geworden, dass er nur noch mordend durch Skyrim zog und Banditen mit der mächtigen Barbaren-Axt köpfte.</div><div>Immerhin ließ er die Finger vom Krim-Wein, so dass er die Tage relativ frisch damit verbrachte, ausgedehnte Wanderungen in der Umgebung zu machen. Er schaute sich die Sehenswürdigkeiten der Käffer an. In Schwallow gab es ein Heimatmuseum in einer Scheune, in dem eine kaputte Kutsche aus dem 18. Jahrhundert präsentiert wurde und ein Butterfass unbekannter Herkunft. Dazu einige Stiche von Landschafts-Szenen, die vage etwas mit den Dörfern des Kreises zu haben sollten.</div><div>Da war der alte Wenden-Friedhof bei Schwedfurt schon interessanter. Es standen dort zwar nur drei Grabsteine und die waren auch noch so verwittert, dass man die Inschriften nicht entziffern konnte, aber immerhin: ein Wenden-Friedhof. Sogar mit einer Informationstafel am Eingang. Aber auch die konnte Georg nicht lesen, weil die Dorfjugend sie mit ihren Tags zugesprüht hatte.</div><div>Was gab es noch zu tun?</div><div><br /></div><div><br /></div><div>[Abgebrochen]</div><div><br /></div><div><br /></div><div>.</div></span></div>
<div></div>
</div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-33995031827051255502020-03-29T19:21:00.001+02:002021-09-19T16:10:49.140+02:00<br />
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: large;"><b>TOTENSOMMER [7]</b></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">+++ Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span><br />
<div><br /></div>
<div>
<span style="font-size: medium;"></span><br />
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"> Die letzten Kilometer zwischen Bahnstation und Grautow musste er
laufen, da der Bus schon in normalen Zeiten nur zwei Mal am Tag fuhr.
Mittlerweile war die Linie eingestellt.</span></div>
<span style="font-size: medium;">
</span>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">Georg
stapfte verdrossen die Landstraße entlang. Nur alle paar Minuten kam
ein Auto vorbei gefahren und die Fahrer schauten ihn grimmig an, als
würde er durch eine Sperrzone wandern. Vielleicht war dies ja schon
eine Sperrzone, dachte Georg. Ich hab vorher gar nicht im Netz
nachgeschaut, ob dieser Teil Brandenburgs von der Krankheit besonders
schwer betroffen ist. Vielleicht ist schon das Militär unterwegs, um
solche Leute wie mich zu fangen, wegzusperren? Doch davon hatte er
nichts gelesen. Militär wurde noch nicht eingesetzt. Aber konnte
sich das nicht jeden Moment ändern?</span></div>
<span style="font-size: medium;">
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er
schaute sich um, lauschte in die stille Landschaft hinein. Nur der
Wind war in den Zweigen der Alleebäume zu hören, keine
landwirtschaftlichen Maschinen, kein Mensch, kein Tier, nicht einmal
das Singen einer Amsel, oder der Schrei eines Bussards.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Plötzlich
wurde ihm der Ernst der Lage bewusst. Obwohl in Berlin viel mehr
Zeichen des Ausnahmezustands erkennbar gewesen waren, wurde ihm erst
hier in der menschenleeren Landschaft deutlich, was ihnen allen
bevorstand: 60 bis 70 Prozent Durchseuchung, Todesrate von mindestens
4 oder 5 Prozent, wenn das Gesundheitssystem zusammenbrach. Das alles
war leicht auszurechnen, dafür brauchte man kein Mathematikstudium.
Die Antwort, um die sich alle zu drücken schienen, lautete: 2
Millionen Tote allein in Deutschland, wenn nicht mehr. Die
Apokalypse.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Konnte
diese Zahl denn stimmen? Georg wusste es nicht. Das durfte doch nicht
wahr sein! Er rechnete es immer wieder durch, während er die
Landstraße entlang ging. Selbst wenn die Letalität bei nur einem
Prozent blieb, und das kam ihm sehr optimistisch vor, würde das eine
halbe Million Tote bedeuten. Berge von Leichen. Die Friedhöfe würden
überquellen. Die Welt würde niemals wieder so sein wie zuvor.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
blickte zum Himmel, der überirdisch blau war und völlig ohne
Kondensstreifen. Keine einzige Wolke am Himmel und die Sonne strahlte
ihr Licht auf die Erde, als würde sie das Land reinigen wollen.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Nur
nicht die Nerven verlieren, murmelte er, alles wird gut. Aber er
glaubte nicht daran.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Kurz
vor Grautow kam er an einem Edeka vorbei, in den er so vorsichtig
hinein ging, als würden Scharfschützengewehre auf ihn gerichtet
sein.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Die
spärliche Kundschaft blickte sich gegenseitig misstrauisch an und
wahrte mehr Abstand, als nötig. Klopapier war selbstverständlich
ausverkauft, Nudeln, Mehl und Tiefkühlwaren auch. Selbst die Regale
mit Konserven waren größtenteils leer. Georg ergatterte eine Dose
mit Roter Beete, zwei mit Kidneybohnen und ein Glas Sauerkraut. Ein
abgepacktes Graubrot war noch zu kriegen und utlra-hocherhitzte
Käseecken. Am Schnapsregal nahm er sich zwei Flaschen
Doppelkorn – wer wusste schon, was man noch desinfizieren musste –
und ging zur Kasse, vor der Abstandhalter auf den Boden geklebt
waren.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Eine
junge Frau in der Schlange drehte sich zu ihm um und schaute ihn
misstrauisch an.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Sie
sind aber nich von hier, wa?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
zuckte die Schultern und schwieg.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Sind
Sie nun von hier, oder nich?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Man
sah ihr an, dass sie ihm am liebsten auf den Leib gerückt wäre, um
bedrohlicher zu erscheinen, sich aber nicht traute.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ich
hab ein Haus hier, in Grautow“, sagte Georg leise.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Kann
ick mir nich vorstellen“, sagte die junge Frau und verzog ihre rosa
geschminkten Lippen. „Ick wohn hier schon seit meiner Geburt, und
ick hab sie noch nie gesehen.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Ein
älterer Mann, der gerade seine Einkäufe bezahlte, mischte sich ein.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Nu
lass ihn schon in Ruhe, Jennifer, der hat dir doch nix getan.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Jennifer
zog scharf die Augenbrauen hoch.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Weißte,
Karl, das überlass mal besser mir, wa? Der Typ gehört hier nich
her. Wer weiß, was der alles einschleppt?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Dann
wandte sie sich wieder an Georg.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Wir
mögen keine Fremden hier, nur damit Sie‘s wissen. Is das klar? Von
wegen <i>Haus</i>.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Die
Kassiererin blickte nun auch von ihrem Scanner auf.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ick
hab Sie hier auch noch nie gesehen. Kann mir nich vorstellen, wo Sie
ein Haus haben wollen.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
zog defensiv die Schultern hoch.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Mein
Onkel hat hier ein Wochenendhaus, ich darf dort wohnen“.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er
nannte den Namen seines Onkels und der ältere Mann nickte.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„An
den kann ich mich erinnern. Ein komischer Kauz, war schon seit Jahren
nicht mehr hier. Dem gehört das rote Haus am Dorfrand.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
nickte eifrig und die Kassiererin wandte sich wieder ihrer Arbeit zu,
selbst die junge Frau war still, schaute ihn aber immer noch
bitterböse an.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Wär
ja wohl noch schöner“, murmelte sie.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
.</div>
</span></div>
<div>
</div>
</div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-42880970985691724822020-03-27T18:21:00.001+01:002021-09-19T16:10:57.701+02:00<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: large;"><b><br /></b></span>
<span style="font-size: large;"><b>TOTENSOMMER [6]</b></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">+++ Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span><br />
<div>
<span style="font-size: medium;"><br /></span>
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">4. Kapitel</span></div>
<span style="font-size: medium;">
</span>
<br />
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;"><br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">Am
Bahnhof Straußberg fuhr sogar noch die Regionalbahn, war aber
genauso leer wie die S-Bahn zuvor. Nur ein alter Mann saß in dem
Waggon, in den Georg einstieg. Der Alte wischte hektisch auf seinem
Smartphone herum, als Georg an ihm vorbeiging. Er hatte gerade eine
Seite mit nackten Frauen angeschaut. Eher harmlose Sachen, trotzdem
war Georg peinlich berührt. Deswegen nahm er die Treppe und setzte
sich ins Oberdeck des doppelgeschossigen Abteils.</span></div>
<span style="font-size: medium;">
</span>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">Auf
den Feldwegen am Rand der Bahntrasse waren keine Menschen zu sehen,
doch das war vermutlich normal. In Brandenburg war immer
Ausnahmezustand. Aber auch Autos waren kaum unterwegs. Die Welt würde
wieder so werden wie früher, wie vor seiner Geburt. Wenig
Kraftfahrzeuge, viele Spaziergänger, lärmende Kinder in den Höfen,
kaum Hochbetagte, Millionen von Grabsteinen auf den Friedhöfen. Und
Suppenküchen, Myriaden von Suppenküchen, die nötig wären, nachdem
die Weltwirtschaft zusammengebrochen sein würde.</span></div>
<span style="font-size: medium;">
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
schaltete sein Smartphone an und scrollte durch die Nachrichten. Noch
war in Deutschland nicht viel passiert. Aber die Warnungen prasselten
über alle Kanäle auf die Leser und Zuschauer. Risikogruppe – auch
du kannst dazu gehören. Sieh dich vor, der Tod kommt schleichend.
Und der soziale Tod auch, dachte Georg. Denn was sollte ihm dieses
weltliche Virus schon anhaben? Er war jung, er war unbesiegbar, auf
seiner Visitenkarte stand Connor MacLeod.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Doch
seine Mutter war in Gefahr, das war nicht zu leugnen. Und Tante
Gesche auch. Sollte er die beiden anrufen und sie bitten, auch nach
Grautow zu kommen? Vielleicht würden sie sich mit Jonas gut
verstehen und er hätte seine Ruhe. Schön wär‘s, dachte Georg,
kann ich mir abschminken. Er liebte seine Mutter – und auch Tante
Gesche auf eine spezielle, spröde Art – daran war kein Zweifel,
aber er konnte sie kaum länger als ein, zwei Tage um sich haben,
ohne in Kindheitsmuster und Aggression zu verfallen. Besuch und Fisch
… drei Tage frisch. Wenn man es genau nahm, wurden am zweiten Tag
die Augen schon glasig.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er
öffnete Skype und pingte seine Mutter an. Wenigstens ein kurzes
Gespräch konnte nicht schaden.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Nach
dem zweiten Ton wurde ihre Kamera eingeschaltet, aber nicht sie
hockte vor dem Bildschirm, sondern Tante Gesche.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Hallo,
Georg! Du rufst schon wieder an?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie
hatte eine Zigarette zwischen den Lippen und strich sich fahrig das
schwarz gefärbte Haar zurück. Georg meinte zu hören, wie es
knisterte, weil es so trocken war.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Äh,
Tante Gesche, was machst du denn da? Das ist Mamas Account.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Seine
Tante winkte ab.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Wird
sie schon nicht stören. Außerdem kann sie gerade nicht. Sie sitzt
auf dem Thron.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
runzelte die Stirn.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Versteh
ich nicht. Auf welchem Thron denn?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Gesche
lachte laut auf.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Na,
auf dem Klo, dem Abort … im stillen Kämmerlein. Und du weißt ja,
wie lange sie immer braucht. Sie sollte weniger Weißbrot essen. Und
die Schokolade hilft auch nicht weiter. Das macht den Stuhl hart wie
einen Tonklumpen.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Tante
Gesche, bitte!“ Georg verzog das Gesicht. „So plastisch musst du
es mir nicht beschreiben!“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ist
ja schon gut, Georg. Ich wusste gar nicht, dass du so zimperlich
bist. Aber hör mal, ich hab da ein Anliegen, zu dem ich dich
befragen wollte.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er
wandte sich ein wenig ab und verdrehte die Augen. Er ahnte schon, was
kommen würde.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Du
weißt ja, dass der Herr über uns wacht, oder?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Tief
durchatmen.
</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Was
für seine Mutter <i>Die hohle Erde </i>war, war für ihre Schwester
<i>Unser lieber Jesus Christus</i>. Eine Glaubensfrage.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Hast
du dir schon mal darüber Gedanken gemacht, dass wir justamente den
Beginn der Endzeit erleben?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Das
glaube ich kaum, Tante Gesche.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie
lächelte schmal und nahm noch einen tiefen Zug von ihrer <i>Kim</i>.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Da
könntest du recht haben, denn wir leben vermutlich nicht erst am
<i>Beginn</i> der Endzeit, sondern mittendrin. Das Wirken Satans
zeigt sich an allen Ecken. Ich spreche nicht nur von dieser aktuellen
Heimsuchung, dieser schrecklichen Seuche, sondern auch von der
Heuschreckenplage, die neuerlich Afrika überzieht. Dann die vielen
Brände und Erdbeben, die Überflutungen. Man könnte meinen, die
vier Boten reiten durch unsere Straßen. Und wenn dieser
amerikanische Präsident nicht der leibhaftige Anti-Christ ist, dann
weiß ich es auch nicht.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
wollte sie gerade beschwichtigen, als die Verbindung schlechter
wurde. Tante Gesches letzte Worte hallten völlig verzerrt durch den
Äther, ihr Abbild flimmerte, dann brach die Verbindung zusammen.
Schlechte Netzabdeckung in der Provinz konnte auch etwas Gutes haben.</div>
</span></div>
<div>
<span style="font-size: medium;"><br /></span>
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div>
<span style="font-size: medium;">.</span></div>
</div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-19097043626290671292020-03-26T20:21:00.002+01:002020-03-27T18:18:22.998+01:00<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: large;"><b><br /></b></span>
<span style="font-size: large;"><b>TOTENSOMMER [5]</b></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">+++ Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span><br />
<span style="font-size: medium;"></span><br />
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">
Also gut, dachte Georg, sehen wir das alles als ein Abenteuer. Ich
war zwar noch nie der totale Abenteurer, aber das kann ich ja noch
lernen. Was gibt es zu tun, was zu planen?</span></div>
<span style="font-size: medium;">
</span>
<br />
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">Georg
fühlte sich ein bisschen hilflos und auch matt, als würde er im
Begriff sein, krank zu werden. Wann sollte er fahren, was sollte er
mitnehmen? Um heute noch loszufahren, war es jedenfalls zu spät,
schon weit nach Mittag. Und er hatte kein Auto, würde also mit Bus
und Bahn reisen müssen. Ob die S-Bahn noch fuhr? Die Regionalbahn 26
von Straußberg aus?</span></div>
<span style="font-size: medium;">
</span>
<br />
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">Er
holte seinen großen Rucksack, der seit Jahren auf dem Schrank
verstaubte, und packte sein Notebook rein, seinen Kindle und seine
Nintendo-DS. Dann noch ein paar Kleider und natürlich die zwei
Rollen von dem teuren Klopapier. Wer konnte schon wissen, wann man
wieder etwas auftreiben würde.</span></div>
<span style="font-size: medium;">
</span>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">Er
löschte das Licht am Schreibtisch, zog alle Stecker in der Wohnung,
überprüfte den Gasherd, verließ die Wohnung und schloss zweimal
um. Überprüfte dann auch noch, ob die Tür wirklich abgeschlossen
war, spuckte dreimal symbolisch auf den Treppenabsatz und machte sich
auf den Weg.</span></div>
<span style="font-size: medium;">
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Kurz
vorm S-Bahnhof fiel ihm ein, dass er noch Geld brauchte, also stapfte
er grimmig zurück zur Commerzbank an der Ecke und ließ sich an der
Maschine einen Kontoauszug ausdrucken: 58 Euro im Haben. Scheiße.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Brennen
sollte das Jobcenter! Und alle Verantwortlichen an dieser Misere, an
dieser Knechtschaft, die sich ALG II nannte, die sollten an Covid-19
verrecken. Und zwar langsam.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Nachdem
Georg in seiner Jugend von jeder Schule runter geflogen war, hatte er
sich, auf den sanften aber bestimmten Rat seiner Mutter hin, in eine
Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gefügt. Immerhin nicht bei
Hertie, sondern bei Karstadt. Seine Spezialisierung waren Bücher und
Medien und so war er in der kleinen Buchabteilung des Karstadts am
Hermannplatz gelandet. Sein Lebensweg schien vorgezeichnet aber auch
nicht der schlechteste zu sein. Dann war das Sortiment der
Buchabteilung zusammen gestrichen worden, bis er, ein Azubi und der
Abteilungsleiter nur noch Arzt-Romane, Historien-Schinken und
Rätsel-Hefte verkauften. Die Umsätze brachen mehr und mehr ein.
Amazon stieg zum globalen Player auf, es sah böse aus. Dann kam eine
Angstblüte und Soduku-Hefte und Mandala-Malbücher retteten ein
letztes Mal die Jahresbilanz. Was folgte, war abzusehen und
unvermeidbar: die Abteilung wurde weg rationalisiert, der
Abteilungsleiter wechselte zu den CDs und DVDs und Georg wurde
betriebsbedingt entlassen. Ein Jahr Arbeitslosengeld I, anschließend
das Elend. Immerhin durfte er in seiner kleinen Wohnung bleiben, die
Miete war angemessen, wie ihm die Sachbearbeiterin zugestanden hatte.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er
steckte die 50 Euro ein, mehr hatte der Automat nicht hergeben
wollen, und ging zum S-Bahnhof. Ein Mercedes AMG rollte langsam an
ihm vorbei und aus dem runter gekurbelten Fenster tönte Dance Monkey
in voller Lautstärke. <i>You, you make me, make me, make me wanna
cry</i> …</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er
ging die Treppe zum Bahnsteig hoch und schaute sich um. Niemand da.
Auch als die S-Bahn einfuhr und er sich in einen Waggon setzte: kein
Mensch zu sehen. Die Sonne schien durch die Fenster, in die Graffiti
gekratz waren, die <i>Tags</i> leuchteten auf den wild gemusterten
Sitzbezügen und die Stimme eines Zombies schnarrte <i>Zurückbleiben</i>!</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
ließ sich gegen die Trennwand sinken und schloss die Augen. Schatten
und Licht morsten einen schnellen Takt durch seine Lider hindurch und
die quäkende Stimme von Dance Monkey wollte ihm nicht mehr aus dem
Sinn gehen … <i>You, you make me, make me, make me wanna cry</i> …</div>
</span><br />
<span style="font-size: medium;"><br /></span>
<span style="font-size: medium;">.</span></div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-65021914496262895612020-03-25T18:32:00.000+01:002020-03-25T20:08:11.647+01:00<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: large;"><b><br /></b></span>
<span style="font-size: large;"><b>TOTENSOMMER [4]</b></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">+++ Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<br />
<br />
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">3. Kapitel</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Am
nächsten Morgen fühlte Georg sich zugleich eingeschlossen und
ausgeschlossen. Eingeschlossen in seinem abgezirkelten Leben,
ausgeschlossen von der Welt dort draußen vor dem Fenster.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Er
sprang aus dem Bett, obwohl noch Fetzen von Alpträumen in den
tiefsten Schichten seines Bewusstseins umher irrten, Männer in
Schutzanzügen mit rot unterlaufenen Augen, Kinder mit vertrockneten
Händen und ergrautem Haar, dass wie Spinnweben um ihre kleinen,
ausgemergelten Gesichter wehte. Enge Gassen mit braunen Ratten </span><span style="font-style: normal;">in
den dunklen Winkeln</span><span style="font-style: normal;">,
Gewitterlicht, dass sich </span><span style="font-style: normal;">weiter
oben </span><span style="font-style: normal;">auf nach außen
geöffneten Fensterflügeln spiegelte. Der dröhnende Ton einer
Glocke. Pest.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Schnell
trank er einen kalten Schluck Tee von gestern und streifte sich seine
Kleider über. Als er das Fenster zum Lüften öffnete, merkte er,
wie kalt es draußen noch war. Kalt und sonnig. Ein klares,
schneidendes Licht. Die Luft roch frisch, gar nicht nach Großstadt,
nach Benzin, Gummiabrieb und Abgasen.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Fast
wie auf dem Lande. Der städtische Betrieb, das ewige </span><span style="font-style: normal;">Machen
und Tun war offenbar schon zurückgefahren worden – der
Transmissionsriemen der Maschine Berlin stockte.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Georg
zog seine warme Jacke an und flüchtete auf die Straße. Dann weiter
zu den Kleingärten am Rande des Viertels – vielleicht konnte er
dort etwas Ruhe finden. Aber es war mehr los, als sonst an einem
Werktag. Jogger rannten an ihm vorbei, fast alle mit gebührendem
Abstand. Kinder fuhren auf Rollern die Kieswege entlang und husteten.
Rentner mit Mundschutz wichen ängstlich vor ihm zurück. Nur eine
Nebelkrähe kam ihm nahe und schaute ihn neugierig an, bevor sie
wieder auf eine Hecke hüpfte.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Georg
zog sein Handy aus der Tasche und checkte die Nachrichten: Die
Bundeskanzlerin hatte gestern Abend ein Kontaktverbot angeordnet,
jeder Bürger und jede Bürgerin war dazu verpflichtet, mindestens
1,5 Meter Abstand zu den anderen Bürger</span><span style="font-style: normal;">n</span><span style="font-style: normal;">
und Bürgerinnen zu halten.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Jetzt
fühlte sich Georg noch stärker </span><span style="font-style: normal;">ausgeschlossen
und </span><span style="font-style: normal;">eingeschlossen. Er stand
unter einem weiten Himmel der blau wie auf einer Postkarte war.
Überirdisches Ultramarin, fehlten nur noch die Segel von Booten am
Horizont. Die Luft strömte in seine Lungen, aber trotzdem umfing ihn
eine Beklemmung. Hier konnte er nicht bleiben.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Als
er wieder zu Hause war, musste er erst einmal ausruhen, sich befreien
von dieser merkwürdigen Klaustrophobie. Vielleicht sollte er
anfangen zu meditieren. Er hatte gestern bei Facebook gesehen, dass
Dutzende von Online-Kursen angeboten wurden. Sogar gratis – sein
Seelenheil würde ihn keinen Cent kosten. Aber wie sollte er
meditieren, wenn er lieber wegrennen wollte?</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Onkel
Karls Haus! Es gab keine andere Möglichkeit. Aber würde er dort
nicht wahnsinnig werden vor Einsamkeit? Andererseits, hier war er
auch allein.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Er
könnte Jonas anrufen. Jonas, sein bester Freund, bei dem er sich den
ganzen Winter nicht gemeldet hatte, weil der Winter eben der Winter
war – keine gute Zeit für soziale Kontakte. Es war zu dunkel und
bedrückend im Winter, zu kalt und gedämmt. Jetzt bereute er, sich
nicht bei Jonas gemeldet zu haben … und bei vielen anderen.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Er
wählte die Nummer und hörte dem Freizeichen zu. Keine Reaktion.
Verärgert legte er das Handy beiseite und fuhr das Notebook hoch,
rief ein Nachrichtenportal auf. </span><span style="font-style: normal;">Schon
25.000 Infizierte. Schrecklich.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Georg
zuckte zusammen, als sein Handy klingelte. Jonas! Er ging ran.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„<span style="font-style: normal;">Du
hattest mich angerufen?“</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Georg
nickte, bis er sich klar darüber wurde, dass Jonas ihn natürlich
nicht sehen konnte. War ja kein Skype-Call.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„<span style="font-style: normal;">Ja,
hab ich. Entschuldige, dass ich mich nicht gemeldet habe. Kennst mich
ja … Winter und so ...“</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-style: normal;">Er
konnte Jonas unterdrückt lachen hören.</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„<span style="font-style: normal;">Mach
dir mal keine Sorgen, wir sind im Winter doch alle Trauerklöße.
Also, weshalb rufst du mich an?“</span></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Hab
ich dir schon mal von meinem Ferienhaus erzählt?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Du
hast ein Ferienhaus?“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Na
ja, es gehört eigentlich meinem Onkel, aber der lebt in Spanien und
hat mir den Schlüssel da gelassen.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Spanien
ist nicht gut.“ Jonas Stimme klang jetzt gepresst. „Ich habe
Bekannte in Valencia. Spanien ist wirklich nicht gut, bald sieht es
dort aus wie in Italien. Das sag ich dir.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
räusperte sich zustimmend.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Und
hier vermutlich auch. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich
muss unbedingt raus aus der Stadt, sonst ersticke ich noch.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Kann
ich verstehen, geht mir nicht anders“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
zögerte kurz. War das die richtige Idee? Aber warum denn nicht?</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Hast
du Lust, mit mir eine Weile aufs Land zu ziehen? Paar Wochen in dem
Haus in Brandenburg. Bis der ganze Spuk vorbei ist ...“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Jonas
antwortete, ohne zu zögern.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Klar!
Danke, dass du an mich gedacht hast. Das wird toll. Wir beide, wie in
alten Zeiten. Wir werden die Welt aus den Angeln heben … oder
zumindest die Angeln ein bisschen ölen.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Fantastisch“,
sagte Georg. „Am liebsten würde ich schon heute hinfahren.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Dann
mach das doch. Ich kann aber erst übermorgen los, muss vorher noch
ein paar Sachen erledigen. Schick mir einfach die Adresse per SMS.
Und stell schon mal die Heizung an. In den nächsten Tagen soll es
recht kalt bleiben.“</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg
musste an die antiken Kachelöfen denken.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Mach
ich, Jonas. Wir sehen uns dann in zwei Tagen.“</div>
<br />
<br />
<br />
.</div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-59886410607423790402020-03-24T18:24:00.001+01:002020-03-25T18:33:21.679+01:00<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: large;"><b><br /></b></span>
<span style="font-size: large;"><b>TOTENSOMMER [3]</b></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">+++ Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<br />
<br />
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Genau in diesem Moment schlurfte Tante Gesche ins Bild, mager bis auf
die Knochen, mit einem Gesicht das sowohl permanente Verwunderung als
auch Strenge ausstrahlte. Zwischen ihren schmalen Lippen klebte eine
Zigarette und ihr schwarz gefärbtes Haar war glatt zurück gebunden.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Tante Gesche, die Aufsteigerin der Familie. Sie hatte einen Ingenieur
geheiratet, keine Kinder bekommen und sich ein ruhiges Leben gemacht,
vor allem, nachdem ihr Mann an Lungenkrebs gestorben war. Hielt sie
nicht davon ab, weiterhin Kette zu rauchen.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Tante Gesche! Ich glaub es nicht! Du rauchst direkt neben einer
Asthmatikerin? Gerade jetzt?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie winkte müde in die Kamera.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Das sind ganz leichte Zigaretten. <i>Kim</i>. Wirklich ganz milde,
das wird schon nicht schaden.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georgs Mutter atmete verkniffen ein.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Na ja ...“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ist ja schon gut. Ich geh auf den Balkon.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Und mit diesen Worten trat Tante Gesche aus dem Bild, als würde sie
von einer Bühne abgehen.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Mama“, sagte Georg. „Das darfst du ihr nicht durchgehen
lassen. Wenn sie schon qualmen muss ...“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Seine Mutter wiegte langsam den Kopf hin und her.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Weißt du, Georg, wir müssen alle irgendwann sterben. Und ich war
in letzter Zeit ziemlich allein. Du kommst mich ja nie besuchen.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Mama, bitte!“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Seine Mutter hob die Augenbrauen.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ist doch wahr! Und jetzt, in dieser schlimmen Zeit, kann ich noch
nicht mal meine Freundinnen besuchen gehen. Ich weiß, dass Gesche
ein Biest sein kann, aber sie ist meine Schwester. Ich hab sie
trotzdem lieb.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Das lassen sie aber besser nicht wissen, sonst nutzt sie das nur
aus.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Schatz, du sollst nicht immer das Schlechteste von den Menschen
denken.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Seine Mutter strich sich geistesabwesend die Haare zurück und
schaute nach rechts aus dem Fenster. Licht fiel in ihre grauen Augen
und für einen Moment sah sie wieder aus wie ein junges Mädchen. Ein
sehr müdes junges Mädchen.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Und was hast du jetzt vor, Schatz? Bleibst du in Berlin?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Wo soll ich denn sonst hingehen?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie schaute ihn überrascht an.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„In das alte Ferienhaus von Onkel Karl!“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Oh Gott, das existiert ja auch noch. Da war ich seit Jahren nicht
mehr.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ich auch nicht“, sagte seine Mutter. „Aber es steht noch,
schätze ich. Du hast ja einen Schlüssel.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Das Haus von Onkel Karl war eine Bruchbude in der tiefsten,
brandenburgischen Provinz. Er hatte es kurz nach der Wende gekauft,
um mal Auszuspannen, wie er es nannte. Über die Jahre war er
vielleicht drei oder vier Mal dort gewesen, hatte angefangen, es zu
renovieren und dann das Interesse verloren.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Vor zehn Jahren war er in Rente gegangen und nach Spanien gezogen, an
die Costa del Sol. Seitdem stand das Haus leer. Georg war einmal dort
gewesen, um nach dem Rechten zu schauen. Das Haus war mit schäbigen
DDR-Möbeln eingerichtet, die Tapete hing in fast allen Zimmern von
den Wänden und die Kachelöfen waren nur noch als Dekoration zu
gebrauchen. Im Winter würde man dort erfrieren. Außerdem war
mittlerweile sicher der Strom abgestellt worden.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Da kann man doch nicht mal für ein Wochenende wohnen. Und ich
hoffe, dass der Kühlschrank ausgeräumt wurde, denn ohne Strom würde
da sonst eine Monster-Kolonie wachsen.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Seine Mutter schüttelte energisch den Kopf.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Den Strom bezahl ich regelmäßig. Wasser auch. Und Gesche war im
letzten Herbst dort. Sie meinte, es sei alles ziemlich gut im
Schuss.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Das bezweifle ich“, sagte Georg.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Im Hintergrund war die Balkontür zu hören und Tante Gesche stapfte
wieder durchs Bild.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Gudrun? Kommst du? Wir wollten doch was kochen“, rief sie.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Du hörst es, Georg, ich muss Schluss machen. Meld dich bald
wieder, ja? Und wenn dir die Decke auf den Kopf fällt, kannst du
jederzeit in Onkel Karls Haus.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ich kann dich besuchen kommen“, sagte Georg lahm.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Das ist keine gute Idee, Schatz. So wenig soziale Kontakte wie
möglich, haben sie heute im Fernsehen gesagt.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Nachdem sich Georg einen Tee gemacht hatte, setzte er sich wieder an
den Computern und rief die Seite von Euronews auf.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Gerade wurde ein Bericht aus Italien gezeigt, aus einem Krankenhaus
in Bergamo. Dicht gedrängte Betten, steriles Licht. Alte Männer und
Frauen in Krankenhaushemden, die merkwürdige Helme auf hatten,
zylindrische Objekte aus durchsichtigem Kunststoff, die den ganzen
Kopf umschlossen, um sie mit Sauerstoff zu versorgen. Ärzte und
Pfleger liefen zwischen den Betten umher, überprüften die
Sauerstoffzufuhr, notierten Werte auf Klemmbrettern. Derweil die
Patienten um Luft rangen.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Ein Bild aus der Unterwelt. Es wirkte ein bisschen wie eine Radierung
von Gustave Doré. Die Köpfe mit den Sauerstoffhelmen trieben auf
den weißen Decken und Laken. Der Himmel im Fenster dahinter hatte
sich verdunkelt.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg klappte das Notebook zu und lief unruhig in seinem Zimmer auf
und ab. Wo sollte er nur hin? Wo war ein Zufluchtsort? Und wer würde
ihn retten, wenn er die Krankheit bekam, wenn er sie womöglich schon
hatte?</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<br />
<br />
.</div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-84564919927353192612020-03-23T13:27:00.003+01:002020-03-24T18:25:23.930+01:00<br />
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: large;"><b>TOTENSOMMER [2]</b></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">+++ Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span></div>
<div style="line-height: 16px; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
2. Kapitel</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Zurück
in seiner Wohnung schien Georg wieder alles normal. War etwas? Es
waren doch keine Sirenen zu hören, kein ABC-Alarm, keine
Alien-Raumschiffe kreisten über den Dächern Berlins. Konnte es
wirklich sein, dass eine katastrophale Welle von Viren über das Land
branden und alles auslöschen würde?</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Während
er die Einkäufe in seine winzige Speisekammer räumte hörte er
Radio. Der Nachrichtensprecher sprach von tausenden Toten in Italien
und dass auch in Deutschland mit unzähligen Opfern der neuen
Krankheit zu rechnen sei. Es wurde bereits von Triage berichtet.</div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Triage?
Hörte sich in seinen Ohren an wie ein schlechter Popsong aus den
80ern. <i>Triage, Triage, you came into my life like a hammer </i><i>in
a store window</i><i> …</i></div>
<div class="western" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Auf dem obersten Regalbrett der Speisekammer vertrocknete seit Tagen
das letzte Stück eines Apfelkuchens, den seine Mutter gebacken
hatte. Er war letzte Woche mit DHL angekommen und Georg hatte den
größten Teil pflichtschuldig gegessen, obwohl seine Mutter eine
grauenhafte Bäckerin war. Zu wenig Zucker, zu viel Zimt und die
Apfelscheiben waren matschig und fad.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Wie es ihr wohl gehen mochte? Sicher hatte sie sich in ihrer kleinen
Zwei-Zimmer-Wohnung in Schöneberg verbarrikadiert und schaute rund
um die Uhr NTV oder Phönix. Oder, schlimmer noch,
Verschwörungs-Videos auf Youtube.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie war schon immer eine kluge Frau gewesen, aber ihre Intelligenz
war ungerichtet, ziellos. Bis vor wenigen Jahren, als sie noch als
Verkäuferin beschäftigt gewesen war, hatte die Arbeit sie halbwegs
von ihren kruden Ideen abgehalten. Aber seit sie in Rente war, hatte
es kein Halten mehr gegeben.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
So vieles war in ihrem Leben schief gelaufen und das hatte sie bitter
gemacht. Ihr Ehemann hatte sich kurz nach Georgs Geburt abgesetzt,
wenig später hatte sie ihre Anstellung in einem Hertie-Warenhaus
verloren, wo sie als Verkäuferin in der Damenbekleidung gearbeitet
hatte. Das war 1993 gewesen. Danach blieben ihr nur noch Jobs an den
Kassen diverser Supermärkte. Penny, Aldi, Bilka, Bolle – davon war
sie so sehr ausgelaugt worden, dass sie vor vier Jahren vorzeitig in
den Ruhestand gegangen war. Und seither beschäftigte sie sich mit
Themen wie <i>Die hohle Erde </i>oder <i>Versunkene Zivilisationen
auf dem Mars</i>.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg gab sich einen Ruck und fuhr sein Notebook hoch. Er musste
einfach seine Mutter kurz sprechen und schauen, ob es ihr gut ging.
Er öffnete Skype und pingte sie an.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Keine drei Sekunden später logte sich seine Mutter ein und ihr
asthmatisches Husten war zu hören, aber noch kein Bild zu sehen.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Mama, du musst die Kamera einschalten!“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Moment ...“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Ihr keuchender Atem näherte sich dem Mikrofon und Georg konnte sie
auf der Tastatur herumfuhrwerken hören. Das war doch hoffentlich nur
das Asthma?</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Plötzlich erschien ihr Gesicht auf dem Bildschirm. Nase und Mund
waren merkwürdig verzerrt, weil sie zu nah an der Webcam stand, und
ihre Augen blinzelten müde hinter den dicken Brillengläsern.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Mama, geht‘s dir gut? Du bist doch hoffentlich nicht krank?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie lächelte schwach und ließ sich in ihren Sessel plumpsen, den
sie neben den Schreibtisch gerückt hatte.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Nein-nein, nur Heuschnupfen. Die Pollen sind dieses Jahr besonders
früh dran. Wegen des milden Winters. Weißt du, Georg, wenn dieses
Virus uns nicht umbringt, dann der Klimawandel.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Seit wann glaubst du denn an den Klimawandel“, fragte Georg
entgeistert.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Man wird ja wohl noch seine Meinung ändern dürfen, oder?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie wirkte aufrichtig empört und nahm die Brille ab, wischte sich
fahrig über Stirn und Augen.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Du siehst müde aus, Mama.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ach, das täuscht. Ich bin einfach noch nicht geschminkt. Hat der
Apfelkuchen geschmeckt?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg nickte in die Kamera.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ja, sehr gut. Ein bisschen weniger Zimt beim nächsten Mal ...“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ist notiert, mein Junge. Und was hältst du von der ganzen Sache.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Keine Ahnung, Mama. Kommt mir alles unwirklich vor. Und du? Hast
du Angst?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie schüttelte langsam aber entschieden den Kopf.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Weißt du, es ist merkwürdig. Früher hatte ich ja immer Angst,
vor jedem Pieps. Drama, Drama, Drama! Aber jetzt, wo alles den Bach
runtergeht, da bin ich ganz gelassen. Ich bin die Ruhe selbst!“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg kam ein beunruhigender Verdacht. Sie hatte doch nicht etwa
wieder mit Tranquilizer angefangen?</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Bei dir ist also alles in Ordnung? Du musst keine Medikamente
nehmen?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Georg!“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Jetzt war sie wirklich empört.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Das liegt doch schon Jahre zurück. Ach, was sag ich, Jahrzehnte!
Das Zeug werd ich nie wieder anrühren! Mach dir mal keine Sorgen.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Vorwurfsvolles Schweigen von ihrer Seite. Georg konnte im Hintergrund
eine Tür aufgehen hören.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ist da etwa jemand bei dir?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Sie schaute ihn unschuldig an.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ja, Gesche. Sie ist auf Besuch.“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Wieder war es an Georg, entgeistert zu sein.</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Tante Gesche ist bei dir?“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ja, warum denn nicht. Immerhin ist sie meine Schwester. Meine
einzige Schwester!“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Aber du kannst sie nicht ausstehen!“</div>
<div class="western" style="font-style: normal; line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<br />
.Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-48290783227436169752020-03-22T13:54:00.003+01:002021-09-19T16:14:21.320+02:00<br />
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: large;"><b>TOTENSOMMER [1]</b></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;"><br /></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-size: medium;">+++
Live-Kolportage-Roman aus dem Jahr 2020 +++</span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
1. Kapitel</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
An einem warmen
Oktobertag machte sich Georg auf den Weg in das Impf-Center in
Berlin, obwohl er davon überzeugt war, die Krankheit bereits
durchgemacht zu haben.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Die Sonne schien auf
den wüsten Landstrich in Brandenburg, ließ die glasierten
Dachziegel der Häuser in dem Dorf Grautow glitzern. Die einzige
Straße – noch immer benannt nach Ernst Thälmann – lag
ausgestorben vor ihm, nur auf dem dunklen Wasserspiegel des
Dorfweihers zogen zwei Enten stoisch ihre Kreise.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Die Stille war groß
und schwer, eine unsichtbare Last, die sich auf seine Schultern
legte, in seine Lunge eindrang, die noch immer nicht richtig arbeiten
wollte, so kam es ihm vor.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg fragte sich,
wie viele Leichen sich hinter den verrammelten Türen der Häuser
verbargen. Er hatte seit Wochen keinen Menschen mehr gesehen, nur
seine Mutter hatte mit ihm Kontakt gehalten, obwohl sie seit Ende
August in einem Notlazarett untergebracht war.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
76 Einwohner lebten
in Grautow, hatten in Grautow gelebt. Ob sie sich nur eingeschlossen
hatten, mit ihren letzten, dürftigen Einkäufen aus dem Edeka am
Dorfrand, oder ob sie längst gestorben waren, erstickt an der neuen
Seuche, das war fraglich. Fast alles alte Menschen, Risikogruppe, nur
noch Tote auf Urlaub.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er blickte die
Ernst-Thälmann-Straße entlang, hin zu der einzigen Bushaltestelle.
Aus seinem Haus heraus hatte er die Station nicht sehen können und
eigentlich war er sich sicher, dass kein Bus mehr fahren würde,
trotzdem ging er langsam über das ausgetretene Pflaster in diese
Richtung, die halb abgesackten Gehwegplatten entlang, die von Disteln
und anderem Kraut durchbrochen waren.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Es war nicht
ungewöhnlich, dass in einem so kleinen Kaff die Hauptstraße an
einem Sonntagmorgen leer wie nach der Apokalypse war, aber das Wissen
um die letzten Monate ließen die Szene gespenstisch erscheinen.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georgs Hände
verkrampften sich. Kein Laut war zu hören, kein Vogel, kein Insekt,
selbst die zwei Enten im Weiher zogen ihre Kreise schweigend. Es roch
nach vertrockneten Gräsern und den überschwemmten Auen, die die
Ausläufer des Dorfs mit der Oder verbanden.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Leere Straßen,
damit hatte es angefangen.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Am 20. März war ihm
zum ersten Mal bewusst geworden, dass sich das Leben verändert
hatte, das sich die Menschen gewandelt hatten. Frühlingsanfang in Berlin und alles Leben schien wie ausgelöscht.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Am Morgen war er
noch guter Dinge gewesen, hatte sich gewaschen und rasiert, hatte
eine Schüssel Haferflocken gefrühstückt, war auf seinen winzigen
Balkon getreten, um eine Zigarette zu rauchen – und da war es ihm
wie mit dem Hammer ins Bewusstsein getrieben worden: Sein altes Leben
war vorüber, aller Leute altes Leben war vorüber. Die leere Straße
unter ihm wirkte wie ein Fanal.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Nicht dass er etwas
dagegen gehabt hätte, sein altes Leben abzustreifen, dass in erster
Linie aus Langeweile, Videospielen und ausgedehnten Aufenthalten in
der Bezirksbücherei bestand, aber stattdessen gleich sterben?</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Andererseits war er
ja noch jung, gerade 28 Jahre alt geworden, gesundheitlich gut in
Schuss, wenn man vom Rauchen absah, aber was war zum Beispiel mit
seiner Mutter? Sie war 67 Jahre alt und hatte Asthma. Und sie neigte
zu unbegründeten Ängsten. Wie würde es ihr gehen, wenn die Ängste
ganz und gar nicht mehr unbegründet waren?</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Am Montag hatte er
das letzte Mal Nachrichten im Netz gelesen und anschließend beim
Abendessen Radio gehört. Das Gemeldete hatte ihn so nervös gemacht,
dass er es vorzog, die nächsten Tage nur noch online zu zocken: eine
Reise nach Tamriel – ein Kontinent, den man in dem Game <i>The
Elder Scrolls Online </i>besuchen konnte – ersetzte jeden
Sommerurlaub, der im realen Leben wahrscheinlich bald ausfallen
würde, für ihn sowieso, denn als ALG-II-Empfänger fehlte ihm das
Geld für solche Extravaganzen.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Bis gestern Abend
hatte er die meiste Zeit damit verbracht, Orks zu schnetzeln,
Dungeons zu erforschen und seinen Barbaren hoch zu leveln. Aber
selbst der schönste Urlaub wurde irgendwann fad.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Schnell warf er sich
eine Jacke über und ging auf die Straße. Er musste sowieso noch
etwas einkaufen, sein Kühlschrank war leer, die Haferflocken und der
Rest Milch waren die letzten Lebensmittel gewesen. Außerdem ging das
Klopapier zur Neige.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Es waren noch
Menschen auf den Straßen unterwegs, wenn auch nicht sehr viele. Sie
liefen allein oder allenfalls zu zweit durch den Kiez, wirkten
orientierungslos, sprachen, wenn überhaupt, leise, als würden sie
belauscht, als würden sie verdächtigt, etwas gesetzloses zu tun.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Gab es etwa schon
eine Ausgangssperre? Georg musste nachher unbedingt wieder
Nachrichten hören.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Diese Stille in den
Straßen war unheimlich. Dabei liebte er Stille eigentlich, hatte
auch nicht viele Freunde, lebte lieber sein verborgenes Leben. Aber
dieses tiefe Schweigen, dass sich in den Straßen der Großstadt
breit machte, die verhuschten Blicke der Leute, die herausfinden
wollten, ob der andere Passant krank aussah, ob er vielleicht sogar
ein Husten unterdrückte, das löste eine Beklemmung in ihm aus.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Wie zum Trotz nickte
er einem Fremden freundlich zu, der gerade aus dem Lidl-Markt an der
Ecke kam, ein älterer Herr, der einen Hackenporsche hinter sich her
zog, der so überladen war, dass sich der feste Stoff ausbeulte. Oben
drauf waren zwei Packungen Klopapier mit einem Fahrrad-Expander
geschnallt. Gab es dafür heute Rabatt?</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Der ältere Herr
verzog die Lippen zu einem Strich und wandte den Kopf ab.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Dann eben nicht,
dachte Georg, Berlin war ja noch nie die Hauptstadt der Höflichkeit.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Er steuerte den Lidl
an und schnappte sich den vorletzten Einkaufswagen. Durch das
Schaufenster konnte er erkennen, dass die Kunden in einem merkwürdig
großen Abstand zueinander an der Kasse standen. Und der
Papierwaren-Laden neben dem Supermarkt war geschlossen. Georg schaute
sich um, auch Blumenverkäufer hatte zu, an seine Ladentür war ein
ausgedruckter Zettel geklebt, auf dem etwas von <i>Corona</i> und
<i>Verordnung</i> stand. Also doch Ausgangssperre? Wenn man es genau
betrachtete, waren eigentlich alle Geschäfte geschlossen, außer dem
Lidl. Und nach wie vor kaum Menschen in den Straßen. Nur eine feiste
Nebelkrähe hüpfte vor einem verrammelten Imbiss auf und ab und fraß
Pommes Frites, die platt getreten auf dem Bordstein klebten.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg betrat den
Lidl und wurde fast umgerannt, als er an den Paletten mit Klopapier
und Küchenrollen vorbei ging. Drei Frauen, eine davon mit Kleinkind
im Einkaufswagen, stritten sich um die letzten Packungen der
Hausmarke. Georg schlängelte sich an ihnen vorbei und griff sich
eine Zweier-Packung des teuersten Herstellers, von denen es noch
genug gab. Das würde ein empfindliches Loch in seine Haushaltskasse
brennen, aber ohne Klopapier in den Weltuntergang, das war keine
Option. Und offenbar handelte es sich ja gerade um den Weltuntergang,
wenn man sah, wie sich die Leute benahmen.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Die gleiche Szene an
den Regalen mit Nudeln, Reis und Mehl, ebenso an den Tiefkühltruhen.
Nur noch Pizza Hawaii war übrig. Georg nahm sich drei Stück und
auch eine Packung mit tiefgefrorenen Bohnen. Schnell noch vier Mal
Knäckebrot und zwei Mal Scheibletten-Käse, mehr war nicht zu
bekommen. Dann zur Kasse, immerhin gab es dort noch Zigaretten,
leider nur noch abscheuliche Marken. Aber egal, dachte er, <i>Pall
Mall</i> wird mich schon nicht umbringen.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Georg stellte sich
mit gebührendem Abstand zu dem Vordermann in die Schlange und
versuchte, möglichst flach zu atmen. Es roch nach billigem
After-Shave und Tod. Plötzlich drängte sich eine dicke Frau in die
Lücke.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Ähm,
entschuldigen Sie“, sagte Georg.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Die Frau drehte sich
halb zu ihm um und sah ihn giftig an.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Was?“</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Äh, Sie drängeln
sich gerade vor. Das ist Ihnen schon klar, oder?“</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Die dicke Frau
zuckte die Schultern.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
„Hier ist doch
noch Platz.“</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
Und mit diesen
Worten wies sie ihm wieder den Rücken und stapelte ihre Waren aufs
Band. Ein großer Stapel.</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiSdtfnmEhnfF8zKQJwkZi8BmUenligNd05ZAi8qc0_WZkDPRzRSb0fI6Gg2b94C1P4yAovscpIw__-p8ZEXm-13RLb7mGXjYyd3fXyPD7fdqbXk7fEMquj8MUDA_a_qiqVKSF197YlKr19/s320/virus.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="240" data-original-width="320" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiSdtfnmEhnfF8zKQJwkZi8BmUenligNd05ZAi8qc0_WZkDPRzRSb0fI6Gg2b94C1P4yAovscpIw__-p8ZEXm-13RLb7mGXjYyd3fXyPD7fdqbXk7fEMquj8MUDA_a_qiqVKSF197YlKr19/s0/virus.jpg" width="320" /></a></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div>
<br />
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
.</div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-79475296646079927792017-01-03T17:44:00.003+01:002021-05-02T12:12:47.201+02:00<div style="margin-bottom: 0cm;">
Dies ist die Zeit, von der wir als die
roboterlose berichten werden, so wie wir heute unseren Kindern von
den 70er Jahren erzählen, in denen es noch keine Mobiltelefone gab,
keine Homecomputer und kein Internet.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Als 8-bit-Spiele noch keine Kunst
waren, sondern Notwendigkeit. Als nach Übersee nur der Jet-Set flog.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
--- Als dein Großvater noch jung war.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
„Aber, Opa, eine Welt ohne Roboter,
da hätte ich ja kaum Freunde gehabt. Ich hätte den ganzen Tag im
Realitätsraum verbringen müssen “</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Ich räuspere mich bedächtig und
schaue meinen Enkel an. Seit er Pyramidon nimmt, kann er endlich
ruhig sitzen.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
„Weißt du, Jin-Quirin, ich sage es
dir nur ungern, aber Realitätsräume gab es damals auch noch nicht,
nur die ersten VR-Brillen, und besonders gut war die Auflösung von
denen nicht, man konnte Realität und Realitätsraum gut
unterscheiden. Heutzutage kann man das kaum noch.“</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Jin-Quirin lächelt: „Du vielleicht
nicht, aber du bist ja schon alt“.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
--- In der Jetztzeit entwickeln sich
die Dinge: schon heute stellt Boston Dynamics hervorragende
Menschmaschinen her, zugleich arbeitet die kalifornische Elite an
künstlicher Intelligenz. Kombiniere beides mit Massenproduktion in
Shenzen, und schon hast du die Zukunft vor Augen.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Die Sexroboter werden die ersten sein,
so wie die Sex-Tapes bei den Homevideos die ersten waren, wie die
Porn-Pages im Netz die ersten waren.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Und dann die echten Androiden für den
Haushalt, als Spielkameraden für die Kinder, als Menschen auf der
Straße.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Wenn ich zusammenrechne was jetzt schon
mit Silikon, Chat-Bots und Robotik möglich ist, kann ich
voraussagen: wir werden die neuen Menschen nur sehr schwer von den
alten unterscheiden können. Jedenfalls die öffentlichen. Die
Androiden in den Fabriken und Büros werden weniger lebensecht
aussehen, aber um Potenzen produktiver sein als wir.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Humans need not apply.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Und diese Welt davor, in der wir noch
Momente leben werden, die gilt es jetzt zu beschreiben, aus einer
Perspektive, die aus der Zukunft zu uns schaut. Denn ein Blick aus
dem Loch der Gegenwart wird uns später unspezifisch vorkommen, so
wie mir heutzutage die Erinnerungen der Glückel von Hameln
unspezifisch vorkommen, die sie vor mehr als 300 Jahren aufschrieb, und
aus denen ich wenig über den Alltag ihres Lebens und des Lebens
ihrer Mitmenschen erschließen kann, obwohl es doch Aufzeichnungen
einer Frau aus dem Volk sind, keine abgehobenen Berichte &
Betrachtungen eines Adligen. Aber ihr fehlt die Perspektive, sie
sieht nur, was sie gelernt hat zu sehen.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;"><br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Die Gegenwart in ihrer Fülle kann man
nur mit dem Blick des Zeitreisenden erschließen.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEigcOo6JOoo0ATepAl-e_Dx8-qQwLnSIASHVb0OR53Maj1sJQUQP2n_CLE85cw0nwLXSVWqKaZABHxDBfnI4MxiGTPX21HhaKR2ESrvmOjNJbvGLXhg4STfF7jB6BTsPWvzPYPVcASm8evP/s1600/DoAndroidsDream.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEigcOo6JOoo0ATepAl-e_Dx8-qQwLnSIASHVb0OR53Maj1sJQUQP2n_CLE85cw0nwLXSVWqKaZABHxDBfnI4MxiGTPX21HhaKR2ESrvmOjNJbvGLXhg4STfF7jB6BTsPWvzPYPVcASm8evP/s400/DoAndroidsDream.png" width="257" /></a></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-81354739656966981332016-12-31T14:01:00.000+01:002016-12-31T14:02:23.845+01:00Der Geruch von Tod: wie kaltes Kalbsfleisch gemischt mit Ozon.<br />
<br />
Wir fanden in der Küche drei leere Streifen Kopfschmerztabletten, ein halbes Glas Wasser. Die Wohnung war aufgeräumt, ist in meiner Erinnerung aber in einem Zustand der Verwüstung.<br />
Fußstapfen waren keine zu sehen, auch kein Leichenabdruck im Flur. Dort lag der Körper, zehn Tage lang ... von der Kloschüssel durch die offene Tür gekippt. Sekundenschlaf.<br />
<br />
Z.B. meine Mutter. Man sagt, dich soll der Schlag beim Scheißen treffen. Aber ich wüsste keinen, der ihr das gewünscht hätte.<br />
Im Sommer, wenn die Erde weich ist für ein Spatenblatt. Aber zehn Tage im Flur hatten ihrem Körper nicht gut getan, erzählte man mir. Die Nachbarn hatten es gerochen. Kaltes Kalbsfleisch wohl nicht. Dieser Geruch hing erst in der Wohnung, nachdem das Säuberungskomando hindurch gefegt war.<br />
Die Windspiele an den Decken, die Sonnenstrahlen zart zwischen den Glasfronten von Wohn- und Schlafzimmer. Die Hitze des Sommers.<br />
<br />
Die Schlieren auf den Fenstern wie Eisblumen.<br />
Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus.<br />
Sie hatte Elfen und Zwerge gesehen, sechzig Jahre zuvor, in den Wäldern im holzlosen Holland, auch im kleinen Garten hinter dem Haus, hinter dem dunklen, schattendurchfluteten Haus. Später wurde ihre Hellsicht von schwarzer Galle verdunkelt.<br />
Die Tage in der Irrenanstalt, Licht auf den Resopaltischen, weißlackierte Türen, geschlossenes Leben. Die Notwendigkeit, eine Elfe zu sein.<br />
<br />
Ich erinnere Eisblumen auf den Fenstern im Winter, ihre kühle Hand auf meiner Stirn, Fieberträume die sich in den Tod öffneten. Eine Wand aus rieselnder Leere, der Körper im Nichtschlaf gefangen, riesenhaft, aufgebläht. O, und die Augen, vollgestopft mit Blicken.<br />
<br />
Z.B. meine Mutter, wie sie auf ihrer Leopardencouch sitzt und Zigaretten dreht. Die Hände flattern bei jedem Satz durch die Luft, Albinofledermäuse. Atemzüge. Sekundenschlaf.<br />
<br />
<br />
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgdwOnc8-xpjPsW2T0WDSBYSwUvi4P965CJFRZSrEKtMMxDxk_5AuNRLO7gbLjxC3VEZQUaz93eD_vPb7Sm6TpjfYXLmpYgEhL82VqArlODihPSxwpDLmqzpWZKBLRSAETF-pNVW-ySQSyR/s1600/jmt.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgdwOnc8-xpjPsW2T0WDSBYSwUvi4P965CJFRZSrEKtMMxDxk_5AuNRLO7gbLjxC3VEZQUaz93eD_vPb7Sm6TpjfYXLmpYgEhL82VqArlODihPSxwpDLmqzpWZKBLRSAETF-pNVW-ySQSyR/s400/jmt.jpg" width="252" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Johanna Maria Tielens, 1964</td></tr>
</tbody></table>
<br />
<br />
<br />Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-42198782320072914802016-12-30T20:40:00.004+01:002023-05-14T12:26:33.361+02:00Aber der Tod.<br />
Wie sprechen über das tot, die tot, der tot?<br />
Wenn die Körpereinheit durch die Zeit klappert, grauer werdend, Metapher werdend für sich selbst im Ableben, Abspulen des Films. Schnitt. Black. Fade.<br />
<br />
Z.B. mein Vater: starb ohne Furcht, obwohl er nicht an ein Nachleben glaubte, nur an die Schwärze im Blick, das Nichts der Zukunft. Trotzdem er seine Hände wandern ließ durch die Luft, den Äther, das Fluidum, in seinen letzten Tagen, im Hospiz, krebszerfressen, oder eher krebsgeschwängert.<br />
<br />
Z.B. mein Vater: wisperte mit den Toten, die über ihn gekommen waren, in seinen letzten Tagen, obwohl das am Krebs gelegen haben könnte, an der zerfressenen Leber, und ursächlich daraus an der zunehmenden geistigen Wirrheit, Verwirrung ... winddurchkämmt das Gehirn, von einem Hauch geschüttelt, Prophet des Nihilismus.<br />
<br />
(Ich fand heut kaum noch etwas von ihm, im weiten Internet, im Hades der Homepages und Kanäle (Styx). Ein toter Schauspieler, nur noch öffentlich abgebildet in einigen vergänglichen TV-Serien der 60er Jahre. Ruhm, ach, Herbst, Blätter, leichter Wind. Stattdessen eine spanische Sendung über meinen Bruder, der Spanisch sprach, und den ich nicht verstand, und der mit dem Alter mehr und mehr ausschaut wie unser Vater ... ich weniger und weniger.)<br />
<br />
Kann man sich den Tod nicht vorstellen als einen unendlich gedehnten Moment, der vor dem endgültigen Ableben stattfindet, und der dem Bewusstsein als ein Nachleben vorkommt, das Licht, der Tunnel, das Licht. Ein Moment der ewigen Erkenntnis, der letzte Moment des Lebens spreizt sich auf an der Mauer des Todes, eine Flutwelle, gebrochen am Stein der Toteninsel.<br />
<br />
Ach, Toteninsel, was für ein Unsinn, was kann mir Böcklin über des Sterben meines Vaters schon sagen, was über meines?<br />
<br />
Stille Tage in der Dämmerung. Schmerzen in Friedenau. Aber kein einziges graues Haar im Spiegelbild.<br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><iframe allowfullscreen="" class="BLOG_video_class" height="266" src="https://www.youtube.com/embed/hQkYeOFVA40" width="320" youtube-src-id="hQkYeOFVA40"></iframe></div><br />Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-30431363831097168692016-05-16T19:08:00.003+02:002016-05-16T19:08:57.103+02:00<br />
Am Vorabend des Krieges I<br />
<br />
Gebannt schauen wir auf die Screens und warten auf den Scream der Barbaren. Aus dem Berberland, aus dem ganzen Libyen, vom schwarzen Kontinent; darauf dass sie driften, auf Booten, Flößen, Luftmatratzen. Schwarze Materie. Hinein in das Universum des Lichts, in die Galaxie der Aufklärung, die uns ja ganz allein gehört. Dieser schöne Kontinent, bald geraubt von einem Stier aus dem Atlasgebirge.<br />
<br />
Gerade gab die NASA im Rundfunk durch, der April dieses Jahres sei der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen (cruel month, indeed). Und in Äthopien dorrt die Erde aus, die Menschen fallen in den Hunger zurück, fallen in den Tod zurück schon bald.<br />
<br />
Gottgefällig, selbstgefällig, vom Geburtsrecht gepudert sitzen die heimischen Bürger heimelig an ihren Herden und Geräten, das Flackern in den Augen gespiegelt, und sind sich ganz und gar sicher: die dürfen nicht hier her, die sollen im Mittelmeer ersaufen.<br />
Aber nur Tausende werden ersaufen, Hunderttausende werden durchkommen. Eine winzige Vorhut, eine Avantgarde der kommenden Kriege.<br />
<br />
Wie der kleine Bürger mit dem spitzen Kopfe meint, die sogenannte Flüchtlingskatastrophe wäre eben nur eine Katastrophe, ein Zufall, der leicht zu bändigen wäre mit den richtigen Waffen an der richtigen Grenze.<br />
Nicht mal ein Blinzeln in die Zukunft gestatten uns die paar Hunderttausend. Wenn ein ganzer Kontinent austrocknet, der nur von einer Pfütze von Mittelmeer von uns getrennt ist, dann werden alle Spielkarten und Landkarten völlig neu verteilt werden.<br />
<br />
Eine neue Völkerwanderung steht an. Ach, was sag ich, nein, eine Kontinentaldrift ganzer Völker wird losgestoßen werden, wenn erst das Klimaziel von zwei Grad plus erreicht ist.<br />
Und diese Menschen werden sich nehmen, was wir ihnen so lange vorenthalten, was wir ihnen gestohlen haben.<br />
<br />
(Derweil die Fussballnationalmannschaft in Ascona/Schweiz Vanille-Kipferli futtert. In einem Kurhotel am besten Platz. (Ganz späte Lebensreformer). Die Lokalmannschaft wurde ausradiert. Ach, nein, ausquartiert.<br />
Und in Kreuzberg: Karneval der Kulturen. Saufen bis der Witch-Doctor kommt.<br />
Doch hier in Schöneberg ein Wechsel von Musik und Stille. Gutes glutenfreies Essen. Fröhliche Gäste, Sonnenschein. Auf Bewährung im Garten Eden).<br />
<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEghcGSk0lkjPqDnlvA2t3xO_93kLtwcvzUJA2ALRGCAvz6J9zUAan4QsAn3Qjhn3q1uqaA6M_RNxN-o8ctzp3MkCFRWadBp4o3wQRLhc7ncp5Fs1AkFTwgA3DAa1hfjwQwc4GuKY1cASmN_/s1600/33-Voelkerwanderung.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="267" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEghcGSk0lkjPqDnlvA2t3xO_93kLtwcvzUJA2ALRGCAvz6J9zUAan4QsAn3Qjhn3q1uqaA6M_RNxN-o8ctzp3MkCFRWadBp4o3wQRLhc7ncp5Fs1AkFTwgA3DAa1hfjwQwc4GuKY1cASmN_/s400/33-Voelkerwanderung.jpg" width="400" /></a></div>
<br />
<div>
<br /></div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-50465065354465530632016-03-30T22:27:00.002+02:002016-04-07T22:14:48.101+02:00<br />
<br />
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Kopfschlächter</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Der Kopfschlächter lebt in dem dunklen
Wald</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
in einer feuchten Mulde liegt er nachts</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
und träumt von Wüstungen der Vorzeit</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Zwischen den Dörfern ist Verheerung</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Die Schweine quieken in den Koben</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Der Kopfschlächter geht nach dem
Frühstück</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
das aus dunklen Beeren ist, in die
Fabrik</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Er sticht die Sauen ab, die Ferkel auch</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
er schlitzt die Bäuche auf, weil
Überstunden sind</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
und zieht die Teratome raus</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
die Hautsäcke mit Haaren, Zähnen,
Pseudohirnen</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Der Kopfschlächter stapft auf den
Kacheln</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
durch kaltes Blut zum Kaffeeautomat</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
darin sind dunkle Träume
eingeschlossen</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg9dmHIQjScMHDk8Tc20nOIoOfvpsWSMfePxpCJoMIRGbOA-_1O2je77RjOjH5Gl_fCOpi3Ee4LsSrupE5G0tj42FXayYxCgpDYSou-YiX7Q7zd2wYIP-PO-bH0zGosGFD33bMFfaX79RNL/s1600/schweinek%25C3%25B6pfe+Kopie.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="257" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg9dmHIQjScMHDk8Tc20nOIoOfvpsWSMfePxpCJoMIRGbOA-_1O2je77RjOjH5Gl_fCOpi3Ee4LsSrupE5G0tj42FXayYxCgpDYSou-YiX7Q7zd2wYIP-PO-bH0zGosGFD33bMFfaX79RNL/s400/schweinek%25C3%25B6pfe+Kopie.jpg" width="400" /></a></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-65646805835462545432016-03-26T18:32:00.000+01:002016-03-26T18:32:45.983+01:00<br />
" [...] und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil".<br />
<br />
Ich habe ja auch einen Migrationshintergrund. Einen unsichtbaren. Doch mit zunehmendem Alter fange ich an ihn ernst zu nehmen. Muss nicht mehr innerlich lachen, nur noch lächeln, wenn ich über meine Lage in der Fremde nachdenke.<br />
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Meine Mutter übersiedelte 1963, als Zwanzigjährige und kaum Deutsch sprechend, von Den Haag kommend nach Lüneburg, Niedersachsen, wo ich sieben Jahre später geboren wurde.<br />
Sie hatte dort ein Engagement am Ballett des Stadttheaters bekommen.<br />
Sie war anders als die Deutschen, die Deutschen waren Nazis und grobe Schlachtergesellen, sie war eine Waldelfe von der Waldorfschule (die sie in den 40er und 50er Jahren in Den Haag besucht hatte, was sie um so fremder werden ließ, im Lande Adenauers und Erhards).<br />
<br />
Da mein Vater späterhin die meiste Zeit Anstellungen an Theatern anderer Städte hatte, die Familie aber, bis ich neun Jahre alt war, in Lüneburg wohnen blieb (in einer winzigen, dämmrigen Wohnung, in einem 500 Jahre alten Haus), zog sie mich die meiste Zeit alleine groß. Und sprach mit schwerem Akzent, machte grammatikalische Fehler, die ich heute selbst noch mache; bei jeder M- oder N-Endung muss ich kurz in mich gehen, mich konzentrieren, um mich für den korrekten Form zu entscheiden. Weet je wel?<br />
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In unserer Familie wurde warm zu Abend gegessen, nicht am Mittag, so wie es all die Familien der Freunde hielten, und es gab indonesisches Essen, als die Freunde dieses Land noch nicht mal auf dem Globus fanden. Und wenn wir erst bei dem (angeheirateten) halbindonesischen Onkel zur Reistafel eingeladen waren; die deutschen Wirsingköpfe der 70er Jahren machten sich keine Vorstellung, wie scharf Gerichte sein konnten.<br />
<br />
Lakritz, Pfefferminz, Erdnussbutter, echter Käse. Reiskräcker, englisches Teegebäck, Fla, Patatje Oorlog. All das sind mir Kindheitserinnerungen. Mit Schweinshackse und Mettigel habe ich nichts zu schaffen.<br />
Doch das waren nur Äußerlichkeiten. Was mein Selbst viel mehr prägte waren die holländischen Kinderbücher, die mir meine Mutter jeden Abend vorlas (Paulus de Boskabouter!) und der scharfe Verstand meines Großvaters, einem germanophilen Intellektuellen, der die Heirat meiner Eltern in einer Zeit ermöglicht hatte, als einen Deutschen zu heiraten in Holland noch als Landesverrat galt.<br />
<br />
Die Abgeklärtheit und weltfraulichkeit meiner Kette rauchenden Großmutter (britische Zigaretten), die gerne Mahjong spielte und ihr Frühstücksbrot mit Messer und Gabel aß.<br />
Das Goldene Zeitalter der Barockmalerei, das Licht der Aufklärung, dass sich viel besser in jenem Land gehalten hatte, als in diesem Deutschland, in dem die Wikingjugend Sonnenwendfeuer abhielt, in dem die Kriegsveteranen mit abgeschossenen Armen durch die enge Fußgängerzone zockelten.<br />
<br />
Aber meinen Vater, dem Hamburger, dem Schauspieler, dem Hallodri, dem sollte ich ähnlich sehen, mit dem wurde ich gleichgesetzt. Dabei war ich innerlich doch auch eine verloren gegangene Waldelfe aus den Dünenwäldern von Scheveningen.<br />
<br />
Ich bin, das wird mir erst spät bewusst, viel mehr wie meine Mutter. Ein Teil von mir lebt in Den Haag, an der Küste, im Licht der Straßen, im Licht der Passagen. Nahe dem Grab meiner Großeltern, nahe dem Grab meiner Mutter.<br />
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<br />Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-10151267696023138202016-03-14T11:05:00.000+01:002016-03-14T11:05:26.173+01:00<br />
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Sekunde</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Der Moment in dem das Erstaunen sich
zeigt</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
in dem Gesicht eines Mannes in Deckung</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Sekundenfern der Triumph der eigenen
Größe</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
weggewischt von der schnelleren Kugel</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Eintrittsloch klein / Austrittswunde
kaum</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
zu sehen aus dieser Perspektive</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
in diesem jetzt schon toten Gesicht</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Der Mann (Mudschahed könnte man sagen)</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
mit dem Sniper-Gewehr verblüfft über</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
die Präzission des fernen Gegners</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Schneller in seinem Gesicht die
Verblüffung</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Sekundenfern sein eigenes Leben / und
wenig Blut</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
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<br /></div>
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<br /></div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-9375225036771760452016-03-12T16:29:00.000+01:002016-03-12T16:34:14.321+01:00<br />
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Gespenst</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Wie er als schwarzes Gespenst</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
aus dem Panzerloch kriecht</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
über die glühende Flanke rollt</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
und in den brennenden Diesel fällt</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Hinter ihm Flammensäule aus</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
der Einstiegsluke des Gefährts</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Stillgelegt ein Monument</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
ein Block aus geborstenem Stahl</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
mit dem Kanonenrohr vorne</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
nutzloses Ornament gerichtet</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
in die Deckung der Panzerfaust</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Wie das Gespenst sich sachte</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
aus den Flammen erhebt und schwankt</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
schwarze Haut in Blasen</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
und vorsichtig wandelt zwischen</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
den Trümmern der Stadt</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Ein Hauch noch von Leben dort</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
nicht hier reckt es still seine Hände</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br />
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br />
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<br /></div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3581543373242816376.post-1599673218049271382016-02-29T21:42:00.002+01:002016-02-29T21:45:42.347+01:00<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Zone</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Am Natodraht, am Stachelzaun</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
da steht der Untote, der Wiedergänger</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
den Kortex in das Ausland gespritzt,
ins Elend</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
In der Zwischenzone steht er</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
auf den schmalen Grad tropft das Ich</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Derweil auf dem Eiland, im Elend</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
die Anderen lauern, lau weht der Wind</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
von der schmalen, verdrahteten Küste</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Das Exil eingehegt von Front-Ex</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Extrem schattige Plätze unter den
Markisen</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
der Grenzanlagen im Hinterland</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
der utopischen Friedenszone der Union</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Gehegt und gepflegt von den
grenzenlosen</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Pflegern der Unsichtbaren Hand</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Es herrscht kein Krieg in Europa</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
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<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEityumLKXQjDSxhuhBkn-jIt7AZAZPE1SKDDy1WcHQGHfGsS3B6lf30KmzYdSu0g-rFAvzPe93q9pCyymyK4lspQYgR3uG5sQZn9_AWiRLSaCP_Q1ATNZU_OddlEv2II4Lf2Aqhljbv31AY/s1600/gehirn.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEityumLKXQjDSxhuhBkn-jIt7AZAZPE1SKDDy1WcHQGHfGsS3B6lf30KmzYdSu0g-rFAvzPe93q9pCyymyK4lspQYgR3uG5sQZn9_AWiRLSaCP_Q1ATNZU_OddlEv2II4Lf2Aqhljbv31AY/s400/gehirn.png" width="323" /></a></div>
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<br /></div>
Florian Voßhttp://www.blogger.com/profile/16778152255026502644noreply@blogger.com0